Tatsächlich: Vor einigen Jahren war ich mal ein Fan von YouTube-Deutschland. Heute weiß ich allerdings nicht, ob ich aus der ganzen Chose einfach rausgewachsen bin oder ob die Plattform im Kern einfach viel weicher und dümmer geworden ist - sehe ich mir millionenfach geklickte Beauty-Videos oder laue Comedy-Sketche an, glaube ich, dass die Wahrheit auf beiden Seiten liegt. Und wenn sich deutsche YouTube-Produzenten nun veranlasst sahen, eine richtige Webserie auf die Beine zu stellen, natürlich mit dem Blick auf die gespannte Community, die eben auch Bibi und Dner feiert, möchte man da erstmal gar nichts Genaueres drüber wissen. Der erste Versuch, mit YouTube das Kino zu erobern, ging mit dem stupiden "Kartoffelsalat" schließlich vollkommen in die Hose und... Nein, Halt! "Wishlist" mit dem seltsam zusammengeschusterten Comedy-Schmarrn von FreshTorge in einen Topf zu werfen, gehört sich hier tatsächlich nicht. Denn wo der eine offenbar keinen Plan hatte, was er mit dem Medium anfangen sollte, hatten es die anderen irgendwie schon und kreierten somit eine nicht wirklich runde, aber sehr wertige Serie, die kurzweilig zu unterhalten versteht.
WISHLIST - STAFFEL 1
Die siebzehnjährige Mira (Vita Tepel) ist gern die Außenseiterin und hält sich die Menschen, die sie zwangsläufig umgeben, am liebsten mit Ignoranz und trockenen Kommentaren vom Hals. Als sie eines Tages zu der mysteriösen App "Wishlist" eingeladen wird, ändert sich ihr Leben jedoch: Die App verspricht die Erfüllung eines Wunsches nach dem Bewältigen einer entsprechenden Aufgabe. Mira ist neugierig und probiert sich darin aus, wobei sie auch schließlich in Kontakt mit ihrer Mitschülerin Janina (Nele Schepe) und deren Freunden Dustin (Marcel Becker-Neu), Casper (Michael Glantschnig) und Kim (Yung Ngo) bringt. Das Herumalbern mit der App beginnt als harmloser Spaß, als der skeptische Casper jedoch beginnt, näher nachzuforschen, wird die Situation plötzlich prekär...
Die Idee war im Kern schon mal lobenswert. Da dachten sich einige talentierte Webvideoproduzenten, dass es doch mal clever wäre, die Plattform für mehr zu nutzen als die ewigen "10 Dinge"-Sketche, Lets Plays und Beauty-Tutorials. Denn wenn man schon zuhörende Produzenten hinter sich sowie etwas Geld, Erfahrung und Reichweite vor sich hat, warum diese dann nicht benutzen, um eine richtige Webserie zu erschaffen? Eine, die eine komplexe Geschichte erzählt und mit Ernsthaftigkeit und Kreativität aus dem Einheitsbrei hervorsticht? Tatsächlich, "Wishlist" klang spannend und las sich so viel besser und intelligenter als die meisten der ziemlich einseitigen Videoclips, die ApeCrime, Joyce Ilg und Konsorten heute so herstellen.
Und das Projekt fängt dann auch mal recht vielversprechend an. Zuerst fällt auf, wie gut eine Show, die wesentlich weniger Budget besitzt als herkömmliche Serien, aussehen kann, wenn man nur mal die richtigen Leute ranlässt. Gerade in 4K braucht sich diese erste Staffel gar nicht mal so oft hinter großen deutschen Kinoproduktionen verstecken, traut sich kreative Bilder und Kameraeinstellungen zu, ist gut geschnitten und zumeist gut vertont. Und sogar atmosphärisch ist zu Beginn alles in Butter, wenn man sich trotz verhältnismäßig kurzer Folgen (die meisten sprengen nicht mal die 15-Minuten-Marke) noch Zeit nimmt, um in den ersten Episoden die Charaktere einzuführen. Sicher, hier muss man nun nicht ein Tiefenlevel a la "Breaking Bad" erwarten, aber mit der verfügbaren Zeit gehen die Macher hier schon ziemlich gut um und geraten nur selten in Gefahr, dabei Klischeefiguren zu erschaffen.
Über den Plot, der ebenso spannend beginnt, sollte man indes aber nicht zu sehr nachdenken. Offensichtlich vom unterhaltsamen und kritischen Kinohit "Nerve" inspiriert, sehen wir hier einen Jugend-Thriller, der ebenfalls ein paar verbale Watschen austeilen will, aber immer weiter die Kontrolle über seine Handlung verliert, je weiter die Season voranschreitet. Nicht nur, dass man sich irgendwann in überzeichneten Szenarien verliert, die hier doch etwas weit hergeholt sind und deswegen manchmal gar unfreiwillig komisch wirken - es treten auch Logiklöcher auf die größer sind als die Schrammen in Janinas Handy. Da die Season quasi auf einem Höhepunkt endet, muss man diesbezüglich vielleicht noch die zweite Staffel abwarten, trotzdem sind die bis dato gegebenen Antworten, Wendungen und Hinweise gelinde gesagt ziemlicher Murks.
Murks war es übrigens auch, in einer solchen Show, die sich innerhalb der Webvideoplattform YouTube als ernstzunehmende Fiction etablieren will, trotzdem noch auf die bekannten Gesichter zu vertrauen. Die Hauptdarsteller besetzte man zwar ausschließlich mit Schauspielern, wobei diese sich in unterschiedlichen Rahmen bewegen (Marcel Becker-Neu und Michael Glantschnig wirken fahrig und überfordert, Hauptdarstellerin Vita Tepel zeigt enorme Präsenz, überzeichnet aber auch hin und wieder und Yung Ngo als Sidekick hängt seine Kollegen in Sachen Lockerheit deutlich ab), begeht dabei aber auch den Fehler eines bösen Kontrasts zu den Gastrollen. Es ist eben ein unübersehbarer Unterschied, wenn man mit Vita Tepel oder Charles Rettinghaus erfahrene Schauspieler besetzt, die dann aber in diversen Szenen von den YouTube-Sternchen Dagi Bee, Mr. Trashpack oder Soraya Ali unterstützt werden - deren schauspielerisches Talent ist mit "nervig" oder "unfreiwillig komisch" nämlich noch nicht ansatzweise genug beschrieben.
Nun gut, am Ende steht also eine Show, die gut anfing, später nachließ, darüber hinaus technisch aber weitestgehend beeindruckt... und vor allem das Herz am rechten Fleck hat. Das alle Beteiligten nämlich durchweg hinter ihrem Projekt standen und sich alle Mühe gaben, um dieses so gut wie möglich zu machen, ist stets spürbar. Dass die jungen Menschen vor und hinter der Kamera dabei auch Fehler machen, ist ihnen so viel leichter zu verzeihen und man darf erwarten oder zumindest optimistisch hoffen, dass man sich da mit mehr Erfahrung noch in eine wesentlich bessere Richtung entwickelt. Was den Plot angeht, kann man so wohl nur abwarten und Tee trinken...
Fazit: Als ernstzunehmende Webserie auf YouTube hat "Wishlist" technisch und in Sachen Herz definitiv einen Ehrenplatz verdient. Schauspielerisch bewegt man sich dabei aber noch auf wackligen Beinen und der Plot gerät mit fortschreitender Episodenzahl immer mehr aus dem Ruder - hoffen wir, dass Staffel 2 das Schiff mit mehr Feinschliff und Zeit noch in den Hafen einfahren kann.
Note: 4+
Die Idee war im Kern schon mal lobenswert. Da dachten sich einige talentierte Webvideoproduzenten, dass es doch mal clever wäre, die Plattform für mehr zu nutzen als die ewigen "10 Dinge"-Sketche, Lets Plays und Beauty-Tutorials. Denn wenn man schon zuhörende Produzenten hinter sich sowie etwas Geld, Erfahrung und Reichweite vor sich hat, warum diese dann nicht benutzen, um eine richtige Webserie zu erschaffen? Eine, die eine komplexe Geschichte erzählt und mit Ernsthaftigkeit und Kreativität aus dem Einheitsbrei hervorsticht? Tatsächlich, "Wishlist" klang spannend und las sich so viel besser und intelligenter als die meisten der ziemlich einseitigen Videoclips, die ApeCrime, Joyce Ilg und Konsorten heute so herstellen.
Und das Projekt fängt dann auch mal recht vielversprechend an. Zuerst fällt auf, wie gut eine Show, die wesentlich weniger Budget besitzt als herkömmliche Serien, aussehen kann, wenn man nur mal die richtigen Leute ranlässt. Gerade in 4K braucht sich diese erste Staffel gar nicht mal so oft hinter großen deutschen Kinoproduktionen verstecken, traut sich kreative Bilder und Kameraeinstellungen zu, ist gut geschnitten und zumeist gut vertont. Und sogar atmosphärisch ist zu Beginn alles in Butter, wenn man sich trotz verhältnismäßig kurzer Folgen (die meisten sprengen nicht mal die 15-Minuten-Marke) noch Zeit nimmt, um in den ersten Episoden die Charaktere einzuführen. Sicher, hier muss man nun nicht ein Tiefenlevel a la "Breaking Bad" erwarten, aber mit der verfügbaren Zeit gehen die Macher hier schon ziemlich gut um und geraten nur selten in Gefahr, dabei Klischeefiguren zu erschaffen.
Über den Plot, der ebenso spannend beginnt, sollte man indes aber nicht zu sehr nachdenken. Offensichtlich vom unterhaltsamen und kritischen Kinohit "Nerve" inspiriert, sehen wir hier einen Jugend-Thriller, der ebenfalls ein paar verbale Watschen austeilen will, aber immer weiter die Kontrolle über seine Handlung verliert, je weiter die Season voranschreitet. Nicht nur, dass man sich irgendwann in überzeichneten Szenarien verliert, die hier doch etwas weit hergeholt sind und deswegen manchmal gar unfreiwillig komisch wirken - es treten auch Logiklöcher auf die größer sind als die Schrammen in Janinas Handy. Da die Season quasi auf einem Höhepunkt endet, muss man diesbezüglich vielleicht noch die zweite Staffel abwarten, trotzdem sind die bis dato gegebenen Antworten, Wendungen und Hinweise gelinde gesagt ziemlicher Murks.
Murks war es übrigens auch, in einer solchen Show, die sich innerhalb der Webvideoplattform YouTube als ernstzunehmende Fiction etablieren will, trotzdem noch auf die bekannten Gesichter zu vertrauen. Die Hauptdarsteller besetzte man zwar ausschließlich mit Schauspielern, wobei diese sich in unterschiedlichen Rahmen bewegen (Marcel Becker-Neu und Michael Glantschnig wirken fahrig und überfordert, Hauptdarstellerin Vita Tepel zeigt enorme Präsenz, überzeichnet aber auch hin und wieder und Yung Ngo als Sidekick hängt seine Kollegen in Sachen Lockerheit deutlich ab), begeht dabei aber auch den Fehler eines bösen Kontrasts zu den Gastrollen. Es ist eben ein unübersehbarer Unterschied, wenn man mit Vita Tepel oder Charles Rettinghaus erfahrene Schauspieler besetzt, die dann aber in diversen Szenen von den YouTube-Sternchen Dagi Bee, Mr. Trashpack oder Soraya Ali unterstützt werden - deren schauspielerisches Talent ist mit "nervig" oder "unfreiwillig komisch" nämlich noch nicht ansatzweise genug beschrieben.
Nun gut, am Ende steht also eine Show, die gut anfing, später nachließ, darüber hinaus technisch aber weitestgehend beeindruckt... und vor allem das Herz am rechten Fleck hat. Das alle Beteiligten nämlich durchweg hinter ihrem Projekt standen und sich alle Mühe gaben, um dieses so gut wie möglich zu machen, ist stets spürbar. Dass die jungen Menschen vor und hinter der Kamera dabei auch Fehler machen, ist ihnen so viel leichter zu verzeihen und man darf erwarten oder zumindest optimistisch hoffen, dass man sich da mit mehr Erfahrung noch in eine wesentlich bessere Richtung entwickelt. Was den Plot angeht, kann man so wohl nur abwarten und Tee trinken...
Fazit: Als ernstzunehmende Webserie auf YouTube hat "Wishlist" technisch und in Sachen Herz definitiv einen Ehrenplatz verdient. Schauspielerisch bewegt man sich dabei aber noch auf wackligen Beinen und der Plot gerät mit fortschreitender Episodenzahl immer mehr aus dem Ruder - hoffen wir, dass Staffel 2 das Schiff mit mehr Feinschliff und Zeit noch in den Hafen einfahren kann.
Note: 4+
Kommentare
Kommentar veröffentlichen