Direkt zum Hauptbereich

Der Solist

Eine Kritik über einen Film zu schreiben, der innerhalb seines Themas absolut bemerkenswerte Absichten hat und versucht, den Zuschauer in Dingen zu belehren und ihm die Augen zu öffnen, von dessen Dringlichkeit er so vielleicht gar nicht zu viel mitbekommt, der aber künstlerisch auch vollkommen versagt, ist immer ein schwieriges Ding. Man kann ein Werk, welches ein im Kern interessantes Thema hat, nun nicht immer gleich über den grünen Klee loben, sondern sollte auch erwarten, dass es darüber hinaus ebenfalls ein guter Film wird. Für solcherlei Dinge stehen beispielsweise die Oscars gerne in der Kritik, eher das Thema oder die politische Stellung auszuzeichnen und weniger den Film - so erklären sich beispielsweise scharenweise Nominierungen für "Black Panther" oder "Green Book". "Der Solist" spielte bei den Oscars im Jahr 2010 zwar keine Rolle, dennoch passt er in diese Reihe: Ein Film, der absolut nicht gut ist, was angesichts seines wichtigen Themas wirklich schade ist.

DER SOLIST


Steve Lopez (Robert Downey Jr.) ist ein angesehener Kollumnist bei der Los Angeles Times und auf der Suche nach einem neuen Kracher, um sich die Finger wund zu tippen und eine packende Geschichte zu erzählen. Durch reinen Zufall trifft er auf der Straße den Obdachlosen Nathaniel Ayers (Jamie Foxx) - Lopez ist gleich hin und weg von Ayers' beeindruckendem Talent auf der Geige, muss dabei jedoch auch feststellen, dass der Mann geistig enorm verwirrt ist. Lopez riecht eine fantastische Geschichte und bemüht sich, eine Beziehung zu dem verwirrten Ayers herzustellen und ihm gleichsam die Möglichkeiten zu Musikstunden und einem Auftritt zu geben. Diese Bemühungen scheitern jedoch an Ayers' Krankheit und stellen Lopez vor eine schier unmögliche Herausforderung...

Als obersten Kern greift "Der Solist" natürlich das Obdachlosen-Problem auf und weist in den Texttafeln, die vor dem Beginn des Abspanns das Ende des Films einläuten, auch noch einmal auf dieses hin: 90.000 Menschen leben ohne Heim in Los Angeles, ohne Aussicht auf eine Besserung der Lage. Und ja, führt man sich diese Zahlen einmal vor Augen, kann man eigentlich nur noch sagen, dass wir, die wir in einer Wohnung oder einem Haus leben, das Internet nutzen, jeden Tag warmes Essen auf dem Tisch haben sowie über fließendes Wasser, eine Heizung und Strom verfügen, durchaus glücklicher sein müssten. 
Es ist also, gerade auch in dem Kontext, wie ein Mann, der seit Jahren obdachlos ist, plötzlich auf die Möglichkeit eines Heimes reagiert (nämlich anders, als man sich das zuvor ausgemalt hat), ein sehr, sehr wichtiges Thema, dem sich Regisseur Joe Wright hier annähert. Und da dieser Mann zuvor immerhin solch gewichtige Werke wie das brillante Kriegsdrama "Abbitte" inszeniert hat, traut man dem auch zu, das hier zu tragen... leider scheiterte Wright im Jahr 2009 mit seinem Film aber so ziemlich auf ganzer Linie, was das Groß der Kritiker ähnlich sah. Als im Kern anspruchsvoll, aber viel zu überzeichnet und letztendlich fadenscheinig wurde "Der Solist" beschrieben und diesen Meinungen muss ich mich dann auch größtenteils anschließend, empfand ich Wrights Film nämlich als nicht sonderlich bewegend, dafür in seiner Aufdringlichkeit schier anstrengend. 
Beginnen tut dies schon mit dem Spiel des Hauptdarstellers Jamie Foxx, der sich zwar wie immer alle Mühen gibt, die er irgendwie aufzubringen imstande ist, diesmal aber auch nicht über das Gefühl hinwegtäuschen kann, dass hier tatsächlich ein Schauspieler am Werke ist, der eben eine Rolle spielt. Dementsprechend überzeichnet Foxx an einigen Stellen unangenehm und schafft es nicht, eine wirkliche Bindung zu seinem Nathaniel Ayers herzustellen. Wesentlich besser zieht sich da "Der Richter"-Star Robert Downey Jr. aus der Affäre, der mit gewohnt sensiblem Spiel überzeugt und in den ersten zwanzig Minuten ein schlichtweg herrliches, dabei aber nie überziehendes Comedy-Timing beweist. Downey Jr. gefällt dabei so sehr, dass ich an der Geschichte des wissbegierigen Reporters mit der Zeit wesentlich mehr interessiert war als an dem bezeichnenden Drama rund um den obdachlosen Ayers - ein weiterer Beweis dafür, wie sehr schauspielerische Leistungen den Zuschauer über den Plot hinweg am Ball behalten oder sie eben auch vertreiben können. 
Der Plot selbst stellt sich nämlich als reines Flickwerk heraus, dass seine eigenen guten Ideen sogar noch übersieht. So wird ein sehr interessanter Handlungsstrang rund um den Musiklehrer Graham Claydon ("Bohemian Rhapsody"-Star Tom Hollander in einer prägnanten Nebenrolle) nämlich viel zu früh wieder fallengelassen, obwohl sich gerade in dieser Figur eine starke, emotionale Fallhöhe versteckt hätte. Stattdessen konzentriert man sich aber lieber auf die durch viele Hoch- und Tiefpunkte laufende Beziehung, die sich zwischen Lopez und Ayers erbaut und verpasst dabei eine herausstechende Inszenierung. Zwischen Foxx und Downey Jr. entwickelt sich kein glaubwürdiges Zusammenspiel und Regisseur Wright bleibt in seinem Werk den üblichen Konventionen treu, ohne einen eigenen Stempel parat zu haben. Dementsprechend plätschert "Der Solist" ohne eigene Ideen, dafür aber reichlich aufdringlich und manipulierend, über etliche Längen dahin.

Fazit: Robert Downey Jr. überragt mit seiner sensiblen Leistung einen überzeichnenden Jamie Foxx und kann dabei die Fahne in einem ansonsten leidlich aufdringlichen Film hochhalten, der sein wichtiges Thema verfehlt und darüber hinaus keine eigene Seele zu entwickeln vermag.

Note: 4




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid