"Suspiria" gehört ebenfalls zu den Filmen, die ich im Jahr 2018 sehnlichst erwartet habe, die dann jedoch unverständlicherweise nicht in meinem Stammkino anliefen. Trotz großer Namen in der Besetzungsliste, trotz der mehrheitlich guten Kritiken und des großen Presseechos schien der Film also doch etwas zu sperrig, um ihn auf das Mainstream-Kino loszulassen. Nun habe ich den Film per Amazon nachholen können, habe es zuvor jedoch nie geschafft, mir auch das Original aus dem Jahr 1977 anzuschauen. Dieser soll als schockierender Klassiker seines Genres gelten und ich habe definitiv vor, mir diesen mit einem etwas größeren Zeitabstand zu Gemüte zu führen. Vielleicht erkenne ich dann ja den Kult dieses Horrors, der sich mir in dieser Neuverfilmung nur zu Teilen wirklich erschlossen hat...
SUSPIRIA
Im Jahr 1977 zieht die junge Susie Bannion (Dakota Johnson) nach Berlin, um dort in einer renommierten Tanzakademie vorzutanzen. Obwohl man sie eingangs wegen mangelnder Erfahrung ablehnen wollte, kann Susie schon früh die Gunst der strengen Leiterin Madame Blanc (Tilda Swinton) gewinnen. Sie wird aufgenommen und mausert sich für die neueste Produktion gar als Favoritin für die Hauptrolle. Mit der Zeit stellt Susie jedoch fest, dass die Akademie ein Geheimnis birgt. Offenbar hat sie den Platz der unter mysteriösen Umständen verschwundenen Patricia Hingle (Chloe Grace Moretz) eingenommen, die zuvor noch bei ihrem Psychiater Dr. Josef Klemperer (Lutz Ebersdorf) wirre Andeutungen machte. Geplagt wird Susie auch von verwirrenden Träumen und in ihrem Tanz scheint sie so sehr aufzugehen, dass sie gar Angst vor sich selber bekommt...
Das Echo der Kritiker war positiv, wenn es jedoch etwas zu bemängeln gab, wurde sich zumeist über die überlange Laufzeit von 152 Minuten aufgeregt. Diesbezüglich kann ich nur teilweise zustimmen: Ja, "Suspiria" fühlt sich in der Tat hin und wieder etwas arg gedehnt an, dennoch glaube ich, dass der Film gerade in atmosphärischer Hinsicht beinahe jede dieser Minuten gebraucht hat. Denn genau davon lebt der Film: Von einer elektrisierenden Inszenierung, die mal mit wilden Schnitten und dann wieder mit ruhigen und gerade deswegen so beunruhigenden Totalen einhergeht. Von dem Zusammenspiel aus Bild und Ton, welches gerade in den (alp)traumhaften Tanzsequenzen eine ungemein intensive Symbionte erreicht. Und von der Zeit, die "Suspiria" sich lässt, um eben diese Atmosphäre atmen lässt. Der Film sieht durchweg fantastisch aus, jede Einstellung scheint eine ganz eigene Kunst zu sein.
Leider kann "Call Me by Your Name"-Regisseur Luca Guadagnino dieser optischen und atmosphärischen Brillanz wenig echte Substanz entgegensetzen, weswegen zu verstehen ist, dass viele Zuschauer den Film als langweilige, wirre Grütze eingestuft haben. Und auch ich habe mir schwergetan, in den Plot hineinzufinden, der sich generell ein paar Themen zu viel auflädt. Leise Dramaaspekte, in denen man mit der Vergangenheit Deutschlands im Zweiten Weltkrieg umzugehen und abzuschließen versucht, beißen sich mit enorm blutigem Psycho-Horror und Selbstfindungstrip. Da diese Handlungsfäden dann auch entweder bald ins Leere laufen oder schlussendlich in einem, nun ja, ziemlich eigensinnigen Über-Showdown erhoben werden, ist es nicht schwer zu verstehen, warum "Suspiria" die Massen so spaltet.
Die Version des Regisseurs, der hier ein Werk von Dauer, von intensiver Komplexität und einer zwischen den Zeilen stehenden Geschichte erschaffen wollte, ist durchweg spürbar. Es ist nur zu befürchten, dass die wenigsten Zuschauer, die sich eben nicht zweieinhalb Stunden von solch visueller Brillanz blenden lassen, ihm dabei folgen werden. Es wirkt eben nicht so richtig akkurat, wenn man die an sich ziemlich simple Auflösung der Geschehnisse in dieser von Anfang an ziemlich seltsam wirkenden Akademie hier zu einer reinen Mythologie zusammenzimmert. Hier wäre weniger durchaus mehr gewesen, auch weil Guadagnino in seinem vollkommen absurden Splatter-Showdown sowohl in Sachen Plotabschluss als auch in Sachen überkünstlicher Inszenierung bis zur vollkommenen Lächerlichkeit übertreibt.
Wer einen Standard-Horrorfilm erwartet, wird hier sowieso nicht bedient, wer darüber hinaus aber zumindest einen spannenden Plot sehen will, der wird nach einer sehr vielversprechenden ersten Hälfte auch etwas arg im Regen stehen gelassen. Später nimmt sich "Suspiria" nämlich künstlerisch so enorm wichtig, badet quasi in seiner eigenen Spezialität, seiner eigenen Wichtigkeit, dass dem Werk der eigene Stand verloren geht - man sieht nur noch ein Film, der seine Kunst präsentiert, aber keinerlei Gefühl dahinter. Schauspielerisch wird "Suspiria" derweil von Dakota Johnson, "The Zero Theorem"-Star Tilda Swinton sowie einer brillanten Mia Goth getragen - an ihren Leistungen gibt es dabei absolut nichts auszusetzen.
Fazit: "Suspiria" ist blutige und wirre Horrorkunst vom Allerfeinsten. Leider nimmt sich das Werk, welches zu Beginn noch viel Wert auf Atmosphäre setzt, später selbst viel zu wichtig und zimmert um einen wirkungsvollen, einfachen Plot eine ganze Überzeichnung, die dem Film seine Wucht und schließlich auch sein Herz nimmt.
Note: 3-
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