Direkt zum Hauptbereich

Besser geht's nicht

Bei der Oscarverleihung 1998 gingen etliche Filme, die sich in jedem anderen Jahr wohl sehr viele Hoffnungen auf mehrere der goldenen Statuen hätten machen können, leer aus. Der Grund: James Camerons meiserhaftes Katastrophendrama "Titanic" räumte elf Oscars ab und rushte somit durch die Haupt- und Nebenkategorien, ließ heutige Überklassiker wie "L.A. Confidential" oder "Good Will Hunting" mit jeweils zwei Auszeichnungen weit hinter sich. Auch das sensible Drama "Besser gehts nicht" reiht sich darin ein, konnte "Titanic" aber immerhin noch zwei Oscars in den Hauptkategorien abluchsen. Der Film von James L. Brooks gilt heute besonders wegen einer schier grandiosen Performance von Hauptdarsteller Jack Nicholson als Klassiker... ich habe mich nun, nach der Sichtung, jedoch gefragt, was er außerhalb seiner famosen Darsteller denn noch zu bieten hat.

BESSER GEHT'S NICHT


Melvin Udall (Jack Nicholson) ist ein erfolgreicher Schriftsteller, der unter heftigen Zwangsneurosen leidet. Deswegen und aufgrund seiner ebenso unsicheren wie einengenden Persönlichkeit, die sich gerne in Wutausbrüchen und Beleidigungen äußert, wird er von den meisten seiner Mitmenschen regelrecht gehasst. Udall selbst versucht nicht, diesen zu gefallen, streut gern noch etwas Salz in die Wunde... bis er in Kontakt mit der vollkommen neben sich stehenden Kellnerin Carol Connelly (Helen Hunt) gerät. Die hat für einen sprücheklopfenden Egomanen wie Udall eigentlich gar keinen Kopf, muss sie sich doch um ihr krankes Kind kümmern, dennoch fühlt sie sich irgendwie zu diesem Kerl hingezogen. Udall ergeht es ähnlich, trotzdem muss er über seinen eigenen Schatten springen, um vielleicht ein paar Sympathiepunkte sammeln zu können.

Meine Erwartungen waren turmhoch. Von allen Seiten, aus meinem Bekanntenkreis, von Kritikern und renommierten Filmseiten, von Top-100-Listen, in denen dieser Film dauerhaft platziert ist, war zu hören, dass ich mit der Sichtung dieses Werks wohl eine wichtige Wissenslücke schließen würde. Nun habe ich den Film endlich gesehen und mein erster Gedanke nach 140 Minuten war eher simpel: "Joa, war ganz in Ordnung." Etwas wenig für einen Film, der seit über zwanzig Jahren als großartiges Meisterwerk seines Genres berufen wird, nicht wahr? Ja, irgendwie schon. Nun fühlte ich mich zwar gut unterhalten und sicherlich hat dieser Film auch etwas mit mir gemacht, mich streckenweise laut lachen lassen und mich dann wieder bewegt. Doch nichts davon, erst recht nicht in dieser enorm unaufgeregten Variante, hatte für mich den Touch von etwas Besonderem... mit Ausnahme der beiden Hauptdarsteller. 
Jack Nicholson war in seiner langjährigen Überkarriere ja immer richtig gut, hier liefert er allerdings eine seiner besten Darstellungen überhaupt ab, die definitiv in einem Atemzug mit "Shining" und "Einer flog über das Kuckucksnest" genannt werden muss... dass es dafür dann auch seinen dritten Oscar gab, ist da nur fair. Nicholson lotet die Grenzen zwischen den inneren Dramen und dem spöttischen Humor, der eine Mauer um seine Verletzlichkeit ziehen soll, schier perfekt aus und sein manchmal gar wildes Grimassieren ist eine meisterhafte Übertragung dieses leichten Wahnsinns, den sein Melvin Udall zu jeder Sekunde ausstrahlt. Beinahe noch besser agiert "Twister"-Star Helen Hunt, für ihren Part ebenfalls oscarprämiert, die in kleinsten Nuancen genau das präsentiert, was viele Schauspieler tun wollen. Sie zeichnet durch winzige Gesten, durch dieses verräterische Lachen, durch kleine Blicke einen ganzen Charakter, schier ein ganzes Leben und hält diesem mit einer standhaften, aber niemals überzeichneten Performance stand - ganz große Kunst! 
Auch Greg Kinnear als Udalls homosexueller Nachbar, der ziemlich viel Pech und Leid erdulden muss und mit Udall als Mitmenschen ebenfalls ungemein gestraft ist, ist schlichtweg großartig. Leider gehen spätestens bei seinem Part jedoch diverse Drehbuch-Probleme los, die ich anfangs ignorierte, die später aber immer deutlicher wurden. Denn wo die drei Hauptdarsteller (ja, auch Kinnear kann man dazuzählen, auch wenn sein Part hier nicht immer gelenk dazugefädelt werden kann) schier glänzen, tut es der Plot nicht so ganz. James L. Brooks, der mit Nicholson zuvor schon in "Zeit der Zärtlichkeit" zusammenarbeitete und ihm damit seinen zweiten Oscar verschaffte, möchte ein unaufgeregtes, leises Drama erzählen, wie aus dem echten Leben. Eines, dass ein wenig zum Träumen und zum Hoffen anregt, dabei aber auch mal böse austeilt. Das gelingt ihm in Ansätzen, aber als Gesamtprodukt empfand ich seine Version doch etwas resignierend. 
Zu viele kleine Fehlerchen summierten sich mit der Zeit: Greg Kinnear's Simon Bishop wirkt besonders ab der Halbzeit wie seltsam hinzugequetscht, die Liebesgeschichte zwischen Melvin und Carol bahnt sich langsam an, bleibt in manch einer kitschigen Phrase aber dennoch unglaubwürdig. Und sogar mit Udall selbst hatte ich so meine Probleme, da seine Charakterisierung und seine Wandlung vom egomanischen Fiesling hin zum weichen, aber eben immer noch verrückten Engel doch etwas halbgar herüberkam. Obwohl sich Brooks mit 140 Minuten (zu) viel Zeit nahm, kommt am Ende eben doch nur ein recht vorhersehbarer Film heraus, der alles wieder auf die Kraft der Liebe abwälzt. Diese kleinen Ansätze, wenn er sich mit den Themen der Zwangsneurosen, zweiten Chancen und Hoffnung gegenüber dem Unmöglichen auseinandersetzt, verpuffen dabei viel zu oft, da man in der nächsten Szene doch wieder umdreht und irgendwo im Mainstream landet. Im brillant gespielten Mainstream, wohlgemerkt... aber irgendwie doch im Mainstream.

Fazit: Nicholson und Hunt spielen absolut brillant und generell hat der Film viel Herz und Weisheit. Trotzdem wirken viele der Beziehungen und Charakterisierungen zu gewollt und bemüht und die Wandlung der Hauptfigur bleibt im Kern zu oberflächlich und zurechtgestutzt.

Note: 3






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid