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Dem Horizont so nah

Neben "Joker", der für mich unter den dieswöchigen Kinostarts selbstverständlich gesetzt war (für viele dürfte es neben "Avengers: Endgame" und "Der König der Löwen" der meisterwartetste Film des Jahres sein, zumindest bis zu diesem Punkt), standen drei weitere breitere Starts zur Auswahl und meine Entscheidung war diesmal erneut leicht. "Dora und die goldene Stadt" sah in den Trailern bereits so furchtbar aus, dass ich mir diesen allenfalls im Heimkino ansehen will und dem "47 Meters Down"-Sequel werde ich nichts abgewinnen, ohne den Erstling gesehen zu haben - der steht aber bereits auf meiner Liste und wird schon bald gesichtet, vielleicht kann ich die Fortsetzung bei Interesse dann also noch auf der großen Leinwand nachholen. Die Entscheidung traf ich diese Woche also zugunsten des deutschen Kinos. Und wer weiß - vielleicht war ein wenig dramatische Lovestory-Unterhaltung neben dem irrsinnigen Comic-Wahn namens "Joker" ja doch eine gute Entscheidung?

DEM HORIZONT SO NAH


Die achtzehnjährige Jessica (Luna Wedler) lernt auf einem Jahrmarkt den jungen Mann Danny (Jannik Schümann) kennen und verliebt sich beinahe Hals über Kopf in seinen Charme, sein Aussehen, seine Hilfsbereitschaft. Die beiden brauchen ein wenig, um tatsächlich einige Schritte aufeinander zuzugehen und zumindest Danny scheint Jessica erst abweisen zu wollen, bis er sie dann doch zu einem Date einlädt. Hinter seiner Fassade scheinen sich jedoch Dämonen zu tummeln und mit der Zeit merkt er, dass seine Mitbewohnerin Tina (Luise Befort) eben mehr ist als das und dass hinter Dannys Angst davor, berührt zu werden, ebenfalls mehr schlummert. Als Jessica sein Geheimnis schließlich aufdeckt, muss sie sich entscheiden, ob sie es schaffen kann, bei ihm zu bleiben und was das für ihr eigenes Leben bedeuten würde...

Eine Liebesgeschichte wie diese kann leicht in Gefahr geraten, in Überkitsch abzudriften... und somit hin zu einem Film, der dem schmachtenden Zielpublikum gefällt, mich aber kaltlassen dürfte, so wie es vor Kurzem zum Beispiel beim ungemein überkitschten "Gut gegen Nordwind" der Fall war. Dass "Dem Horizont so nah" aber keinesfalls in der gleichen oder gar einer ähnlichen Kategorie spielt, war nach dem Trailer so nicht zu erwarten, ist hier aber zum Glück schon früh absehbar: Als der smarte Danny seinem Date nämlich plötzlich eine Strophe eines Gedichts aufsagt, während beide den Sonnenuntergang beobachten, wollte ich beinahe die Augen aufdrehen, allerdings bleibt eben dieser Moment bis zur allerletzten Szene gar der einzige und wird in dieser Form auch noch recht clever und gar nicht so aufdringlich gebrochen. 
Man schiebt den unglaubwürdigen Romantikkitsch also beiseite und besinnt sich dafür zu einer wirklich bewegenden Liebesgeschichte, die von ihren beiden Hauptfiguren ebenso sehr lebt wie von der nicht unbedingt originellen, in sich aber sehr stimmigen Geschichte. Hier werden keine rosaroten Phrasen aufgesagt, sondern wirklich ernste Themen besprochen und das wirkt in den besten Momenten nahezu erdrückend. Regisseur Tim Trachte gelingt es, dem Film sein Herz zu belassen, dabei durchweg glaubwürdig zu sein und vor allem seine Besetzung zu Darstellungen anzutreiben, die niemals überzeichnet wirken. Ganz besonders beeindruckend ist dies bei Jannik Schümann, Fans des deutschen Kinos unter anderem aus "Jugend ohne Gott" bekannt, der sehr mutig und passend über sein optisches Erscheinungsbild hinausspielt und dabei ebenso wie Luna Wedler ungemein kraftvoll agiert. 
Der Film sprengt also quasi die Grenzen der Klischees, die er zuvor noch selbst setzt und geht im weiteren Verlauf Schritte, die man so durchaus als mutig bezeichnen kann, auch wenn der Plot an sich nun nicht unbedingt unvorhersehbar ist. Das ist wirklich sehr charmant und trotz einer Laufzeit von nahezu zwei Stunden zu keiner Sekunde langweilig, da man dem Plot immer wieder neue Erkenntnisse und Wendungen an die Hand gibt, um die Geschichte lebendig zu halten. Noch dazu fungiert er auch ausgezeichnet als ziemlich starke Charakterentblätterung seiner weiblichen Hauptfigur und zeigt lebendig und glaubwürdig, wie jemand auf ein solch schockierendes Geheimnis agiert: Wie Luna Wedler's Jessica hier über mehrere Minuten hinweg die ganze Geschichte ihres Geliebten aufsaugt, um förmlich daran zu zerbrechen, das ist wirklich großartig gespielt. Und wem das nicht reicht, dem darf gesagt sein, dass "Dem Horizont so nah" auch darüber hinaus noch ungemein romantisch ist und das Herz sowohl zu brechen als auch zu erhellen vermag - und das, ich muss es einfach noch einmal sagen, ohne zu kitschig zu werden! 
Etwas fahrig agiert der Plot nur hinsichtlich einiger Nebenfiguren. Wo Dannys Mitbewohnerin Tina noch ein wichtiger Anker wird, so ist zum Beispiel die Zeichnung von Jessicas bester Freundin ein schlechter Scherz - wie die in einer Szene auf Jessicas Liebesleben reagiert, ist nicht nur überzogen und gewollt, sondern auch wenig aufbauend und zeigt eher, dass Jessica ihren Freundeskreis lieber wechseln sollte. Auch ein Plot rund um einen gewalttätigen Obermacker bleibt ein laues Lüftchen, da der Film diesen zwar ankratzt, danach aber eben vollkommen ausspart. Das hätte man dann vielleicht ganz streichen und dem Werk am Ende noch ein oder zwei Szenen mehr spendieren sollen. Dieses läuft nämlich auf dem absoluten, emotionalen Höhepunkt einfach aus und geht in den Abspann über, was schon sehr plötzlich wirkt und einen so aus einem Gefühl herausreißt, welches sich so gerne noch etwas hätte entwickeln können, um anschließend passender und etwas eloquenter wieder ins Alltagsleben entlassen zu werden.

Fazit: "Dem Horizont so nah" ist romantisch, packend, hervorragend gespielt und über weiteste Strecken glaubwürdig und bewegend geplottet. Leben tut der Film vor allem von seinen beiden Hauptdarstellern, die eine ungeheure Chemie zueinander entwickeln und locker gegen die Klischees anspielen und diese auch mal charmant brechen.

Note: 2-








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