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Don Jon

Mittlerweile kaufe ich mir nur noch sehr, sehr selten Filme für meine persönliche Sammlung auf Disc, die ich noch nicht kenne. Ich beschränke mich eher auf Filme, die ich schon gesehen habe und als so gut empfand, dass ich sie auch in mein Regal stellen will, um sie anschließend immer und immer wieder sehen zu können, ohne von Streaming-Diensten abhängig zu sein. Hin und wieder kommt es aber vor, dass ich so überzeugt davon bin, dass ich einen Film definitiv mögen werde, dass ich einen Blindkauf wage. So war es auch bei Joseph-Gordon Levitts Regiedebüt "Don Jon", den ich innerhalb einer Amazon-Aktion mit vier weiteren Filmen (die ich alle bereits kannte) kaufte. Und nun? Es war tatsächlich ein Blindkauf, den ich zumindest irgendwie bereue, da ich mir anhand der Thematik und des vielversprechenden Trailers doch deutlich mehr erwartet habe...

DON JON


Jon Martello Jr. (Joseph-Gordon Levitt) ist ein echter Frauenheld und wird von seinen Freunden daher ehrfürchtig "Don" genannt. Neben den ständigen Partys, auf denen Jon stets eine heiße Braut abschleppt, hat er jedoch auch ein Herz für seine Familie, seine Religion, seine Wohnung... und seine Pornosucht. Diese fröhnt er selbst dann noch, als er Gefühle für Barbara Sugarman (Scarlett Johansson), die er auf der letzten Party kennenlernte und die ihn eiskalt abblitzen ließ, entwickelt und schließlich sogar eine Beziehung zu ihr eingeht. Das führt schon recht bald zu Problemen und emotionalen Diskussionen... und zur Geheimhaltung seines Hobbys. Als Jon kurz darauf in einem Abendkurs die wesentlich offenere Esther (Julianne Moore) kennenlernt und diese ihn mit seinen Pornos konfrontiert, stellt Jon eben diese ernsthaft in Frage.

Inszenatorisch hat Gordon-Levitt, der hier zeitgleich die Regie, das Drehbuch und die männliche Hauptrolle übernahm, seinen Film durchgehend im Griff. Mit schnellen und harten Schnitten erlaubt er sich, den schnelllebigen Alltag seines Protagonisten zu bebildern, der erst dann einigermaßen zur Ruhe zu kommen scheint, wenn er sich endlich vor seinen Laptop setzen, einige schmutzige Filmchen gucken und Hand anlegen darf. Alles andere inszeniert Gordon-Levitt dahingehend wie einen Rausch... jedoch einen, in welchem sich so einiges wiederholt. Jons ständige Beichten in der Kirche, die Familienessen, die Trainingssessions im Fitnessstudio und die Fahrten in seiner geliebten Karre gleichen sich förmlich aufs Auge, was zeigt, dass er ein Gewohnheitstier ist, dem dennoch etwas Besonderes fehlt. 
Viel tiefer traut sich der Film dann aber doch nicht und hadert auf Dauer mit den Messages, die er letztendlich geben will. Sexsucht oder die Sucht nach Pornografie thematisiert er deutlich, findet aber weder einen Lösungsansatz, um mit dieser Krankheit umzugehen, noch weiß er darüber hinaus überhaupt, was er darüber erzählen soll. Jon sitzt eben gern vor seinem Laptop und holt sich einen runter, weil er Pornos als anregender und abenteuerlicher erlebt als den echten, wahren Sex. Das wars. Dass er diese Neigung, wobei er absolut niemandem in seiner Umgebung schadet (nicht einmal sich selbst) später als Gefahr ansieht, kommt wie aus dem Nichts und wird ziemlich schwach argumentiert. Immerhin findet der Film dafür später noch angemessene Worte, trotzdem findet er keinen echten Bezug zu seinen Figuren, ihren inneren Dämonen und ihren Konflikten. 
Beinahe alle Charaktere sind sehr unsympathisch gezeichnet, was sicherlich beabsichtigt war. Trotzdem fällt es als Zuschauer schwer, einer Figur zu folgen, der nicht nur dauergeil ist, Frauen nach Körpern bewertet und offenbar auch nicht der Hellste ist, sondern eben auch darüber hinaus ständig posend und seine Muckis präsentierend durch die Gegend läuft. Zwar lernt dieser Jon auch irgendwie seine Lektionen, diese scheinen aber aus Glückskeksen zu stammen und laufen ohne direkte Konsequenz zwischen den zahlreichen Subplots durch. In eine rechte Dramaturgie findet sich "Don Jon" nie ein, kann seine Charaktere nie über unsympathische, teils förmlich dummdreiste Kopien hinaus differenzieren. Wenn sich eines dieser Abziehbilder plötzlich in einen sanften Monolog hineinschwingt, wirkt das nicht nur ziemlich kalkuliert, sondern auch einfallslos, als würde Gordon-Levitt nicht wissen, wie er dieser Belanglosigkeit sonst entkommen soll. 
Das ist schade, da die Konflikte, die er hier im Ansatz entwirft, auf dem Papier richtig Dampf haben könnten. Das maue Skript verschleudert seine zurückgebliebene Familie, seine tumben Freunde und auch Don Jon selbst aber auf ziemlich verschleiernde Art und Weise. Die Kamera bleibt zwar immer ganz nah an ihnen dran, wirklich etwas zu erzählen haben sie aber kaum... und wenn, dann ist es eben recht oberflächlich. Vielleicht soll dies aber auch die Lehre des Films sein: Manche Menschen sind eben etwas eingegrenzt in ihrem Denken und das ist eigentlich auch nicht so schlimm. Wenn das aber alles ist, was "Don Jon" bei seinem schier beeindruckenden Themen-Fundus zu erzählen hat, dann ist das zu wenig. Immerhin wissen Joseph-Gordon Levitt und "Under the Skin"-Star Scarlett Johansson, die vielleicht noch nie so heiß war wie hier, mit starken, teils selbstironischen Darstellungen durchweg zu überzeugen. 

Fazit: Trotz einer stark aufspielenden Darstellerriege lässt der Film das Potenzial seiner starken Konflikte zugunsten kalkulierter Glückskeks-Weisheiten und überzeichneter Streitigkeiten liegen. Die Hauptfigur wird dabei anfangs als unsympathisch, später als unglaubwürdig beschrieben, wobei der Film interessante Fragen vergräbt und sich somit seinem Mut entzieht.

Note: 4+




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