Manchmal kann die Werbekampagne ziemlich irreführend sein. Zugegeben, über die Verfilmung von Nick Hornbys Roman "Juliet, Naked" hatte ich mich kaum informiert, trotzdem schien das offizielle Poster für mich eine romantische Komödie zu teasern. Die eindeutigen, etwas überzeichneten Mienen der Hauptdarsteller, bunte Farben und besonders Chris O'Dowd, seltsam stierend und mit dicken Kopfhörern. Die Wahrheit sieht aber anders aus: Sicherlich gibt es auch unterhaltsam-spaßige Szenen, im Kern ist der Film aber ganz klar eine Mischung aus Drama und Romanze. Als dieser wird er Genre-Freunden sicherlich gefallen, dennoch findet die Vermixung verschiedener Genres und Subplots hier nur selten zu einer stimmigen Einheit.
JULIET, NAKED
Annie Platt (Rose Byrne) leidet unter der Beziehung zu Lehrer Duncan Thomson (Chris O'Dowd). Der ist ein riesiger Fan der "Rockikone" Tucker Crowe (Ethan Hawke), beschäftigt sich nahezu tagtäglich in Foren und über eine eigene Website mit der kurzen Karriere des Musikers, welche dieser nach wenigen Gigs und einem Album beendete, um anschließend unterzutauchen und nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Wenn es um sein Idol geht, versteht Duncan keinen Spaß und weist auch seine Annie zurecht, die angesichts der Stimmungsschwankungen ihres beinahe fanatischen Freundes durchzudrehen droht. Als sie einen verächtlichen Kommentar auf Duncans Website verfasst, meldet sich flugs jemand bei ihr - es handelt sich um den echten Tucker Crowe, der darauf aus ist, eine Mailfreundschaft mit seiner Kritikerin einzugehen...
Die Ausgangssituation ist zumindest im Kern originell, wenn auch zu Beginn etwas skurill und an den Haaren herbeigezogen. Trotzdem entsteht dadurch natürlich Potenzial für eine gewitzte Dreiecks-Beziehung, die sowohl mit Humor als auch mit ehrlicher Tragik glänzen könnte. Tatsächlich nehmen Autor Nick Hornby und "Orange is the new Black"-Regisseur Jesse Peretz genau diesen möglichen Konfliktumstand quasi schon vorher aus dem Spiel, denn als Annie so richtig damit beginnt, Tucker Crowe kennenzulernen, spielt Duncan Thomson, zuvor noch als eine der Hauptfiguren eingeführt, nur noch eine untergeordnete Rolle. Natürlich lässt man das Potenzial, Duncan auf sein Idol stoßen zu lassen, welches drauf und dran ist, etwas mit seiner geliebten Annie anzufangen, nicht vollkommen ungenutzt. Tatsächlich verpuffen genau diese Szenen mit der Ausnahme eines gemeinsamen Abendessens, welches dann wegen eines ganz anderen Konflikts an Brisanz gewinnt, aber ziemlich klar, da Hornby und Peretz ihren Fokus auf ganz andere Themen liegen.
Es tut aber vielleicht gut, diesen nicht allzu sehr auf dem fanatischen, beinahe anstrengenden Duncan Thomson zu belassen, der von Chris O'Dowd und auch von den Drehbuchautoren etwas zu heftig als unsympathische Nerd-Karikatur angelegt wird, wobei sanfte Tiefen seiner Figur ziemlich flott flöten gehen. Stattdessen fokussiert man sich nach der ersten halben Stunde auf zwei andere Punkte: Auf den Romantikplot, der für Hornby ja immer noch das Steckenpferd ist, und auf das Leben eines abgehalfterten Rockstars, der im Grunde aber jemals weder ein Rockstar noch abgehalftert war. Schließlich brachte es dieser Tucker Crowe nie zur großen Bekanntschaft und sein Alkoholproblem bekam er offensichtlich auch selbst in den Griff.
Es ist also beinahe schon dreist, wie sehr die Macher hir gegebenen Konflikten aus dem Weg gehen oder sie zumindest unspektakulär auflösen, auf gewisse Art ist genau das aber natürlich auch mutig. Leider haben die Geschichten, die man so stattdessen in den Mittelpunkt stellte, wenig Schwung und generell erzählt man uns hier, von der skurillen Ausgangssituation, die mit der Zeit ins Menschliche abdriftet, mal abgesehen, nur sehr wenig Neues. Auch Rose Byrne scheint in der weiblichen Hauptrolle wenig aus sich herauszuholen, wird eher passiv von einer Situation in die nächste geschoben und darf erst ganz zum Schluss auch mal wirklich eigenständig den Karren anschieben und richtige Entscheidungen treffen.
Bis zu diesem Punkt lebt der Film, der insgesamt viel zu unaufgeregt und letztendlich auch recht langatmig daherkommt, von der Performance von "Der Club der toten Dichter"-Star Ethan Hawke. Den Rockstar, der dieses Leben nur hinter sich lassen wollte und sich angesichts seiner familiären Umstände mit den Lebensabschnitten konfrontiert sieht, für die er wirklich Liebe empfindet, nimmt man ihm ohne mit der Wimper zu zucken hab. Auch wenn der ganz große Anspruch hier fehlt, viel zu oft mit der moralischen Keule geschwungen wird, erdet Hawke die Veranstaltung mit einer sensiblen Darstellung eines Künstlers, dem seine eigene Kunst nichts bedeutet. Leider wird auch dieser Konflikt etwas zu stiefmütterlich behandelt, weswegen "Juliet, Naked", von seiner faszinierenden männlichen Hauptfigur mal abgesehen, viel zu lange nur vor sich hindümpelt.
Fazit: Ethan Hawke agiert hier glänzend aufgelegt, charmant und mit beeindruckender Tiefe. Leider lotet der Film seine spannenden, wenn auch etwas unglaubwürdigen Konflikte nie ganz aus, dümpelt lange vor sich hin und mäandert unentschlossen zwischen ruhigem Drama und etwas kitschiger Romanze hin und her.
Note: 4+
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