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Scary Stories to Tell in the Dark

Noch vor zwei Tagen hatte ich eine Diskussion mit einem Freund bezüglich Horrorfilme - Ergebnis derer war, dass eben diese Schocker für jeden Zuschauer anders funktionieren können, je nachdem, welche Grundängste geschürt werden. Wo er sich von Dämonen oder Geistern nicht ängstigen lässt, sehe ich da bei mir genau die Angst bestätigt, die mich wirklich trifft. So kann "Insidious" auf den einen Zuschauer vollkommen lächerlich wirken, während der nächste (wie ich) die filmische Horror-Prüfung seines Lebens durchstehen muss. Ähnlich gelagert ist dies auch bei "Scary Stories to Tell in the Dark", der pünktlich zu Halloween in den deutschen Kinos anlief. Der Trailer sah furchtbar creepy aus, doch die ersten Kritiken sprachen dem Film eben diesen Horror ab - er würde sich perfekt für Gruselneulinge eignen, um mit dem Genre Fuß zu fassen. Das konnte ich kaum glauben und muss nun, da ich den Film gesehen habe, auch eine gegenteilige Meinung äußern: Ja, der Film ist stellenweise verflixt gruselig. Er bietet nur nicht durchweg das, was die Masse von einem Schocker erwarten wird.

SCARY STORIES TO TELL IN THE DARK


Die drei Freunde Stella (Zoe Colletti), Chuck (Austin Zajur) und August (Gabriel Rush) schließen sich an Halloween im Jahr 1968 eher zufällig und aus reiner Not mit dem zugezogenen Ramon (Michael Garza) zusammen, um ein Horrorhaus zu besichtigen. Dabei gelangt Stella in den Besitz eines alten Buches, in welchem eine offensichtlich gestörte Frau vor vielen Dekaden mehrere gruselige Geschichten aufgeschrieben hat. Als Stella zuhause in diesen stöbert, fällt ihr auf, dass einige von ihnen Parallelen zu Orten und Personen besitzen, die sie kennt. Als ein Junge aus ihrer Schule, dessen Name zuvor in einer der Geschichten Erwähnung gefunden hat, plötzlich verschwindet, sieht sie ihre verrückte Theorie bestätigt: Das Buch führt ein Eigenleben und bindet die Menschen, die eben jenes entwendet haben, in neue Schreckensgeschichten ein. Plötzlich scheinen sie allesamt in grausamer Gefahr zu schweben...

Nach rund einer halben Stunde, während welcher ständig der Satz einiger Kritiker, dass "Scary Stories" nun wirklich harmlos genug sei, dass auch Horror-Neulinge etwas mit dem Film anfangen können (in den USA gab es sogar ein PG-13-Rating, während der Film bei uns ab 16 Jahren freigegeben ist), stellte ich mir einige Fragen. Ich bin der Ansicht, dass ich angesichts der vielen Horrorfilme, die ich so schaue, relativ abgehärtet bin. Nun habe ich mich hier aber in einigen Momenten wahnsinnig gegruselt und mich bereits gefragt, ob ich plötzlich wieder weich geworden bin. Die Antwort ist: Nein. Viele aktuelle Horrorhits lösen bei mir weiterhin nur ein halbgares Achselzucken aus, nur ist die Sachlage hier anders. 
Und das liegt daran, dass "The Autopsy of Jane Doe"-Regisseur Andre Ovredal und der ausführende Produzent Guillermo Del Toro hier eben kein blutiges Gemetzel veranstalten oder die Psyche seiner Zuschauer durch eine Folterkammer schicken. Beides hätte in den USA definitiv zu einem höheren Rating geführt, doch sofern ein Film eben nur gruselt, aber keine eingeschlagenen Köpfe und aufgeschlitzten Leiber zeigt, wird er recht schnell durchgewunken - ähnlich, wie es auch bei "Blair Witch Project" im Jahr 1999 der Fall war. Dass gerade solch eine Inszenierung aber so wirkungsvoll sein kann, beweist dieses Duo hier erneut, denn ich habe mich in einigen Schlüsselszenen furchtbar gegruselt. 
Schuld daran ist unter anderem das hervorragende Figurendesign: Del Toro und seine Leute haben hier ein paar wirklich schaurige Kreaturen erschaffen, die sich mit wenig vergleichen lassen, was es in dem Genre sonst gab. Solch kreative und dennoch gruselige Gestalten haben wir vielleicht seit "Pans Labyrinth" nicht mehr so gelungen Hand in Hand gehen sehen. Natürlich liegt das auch daran, dass man sich hier angesichts der reinen Inszenierung nicht mit dem Standard zufrieden gegeben hat. Einige wohldosierte und beinharte Jumpscares gibt es auch hier, ansonsten verlässt man sich aber weitestgehend auf die Atmosphäre, die durch den wirkungsvollen Einsatz von Licht und Schatten, den geradlinigen Plot und ein kraftvolles Sounddesign entsteht. Und in dieser Atmosphäre wird dann eben nicht dummdreist geschnetzelt und geschrien, stattdessen setzt das Team mit jeder neuen "Geschichte" eben noch mal einen drauf, was Skurillität, Horror und Kreativität angeht. Manch einer wird lachen müssen, wenn er eine wandelnde Leiche verfolgt, die ihren verlorenen Zeh sucht... gerade diese ebenso simple wie schaurige Idee hat mich aber dazu gebracht, in dieser ungemein intensiv inszenierten Szene mehrmals die Luft anzuhalten. 
Und genau das ist es: "Scary Stories" ist ein im Kern simpler Film mit einer interessanten Prämisse, dem genau deswegen erst im letzten Drittel während eines schwächeren Showdowns die Puste ausgeht, weil er eben genug Energie darauf verwettet, gruselige Momente zu inszenieren, die an und für sich originell sind. Je nachdem, wie anfällig der Zuschauer für solcherlei Schauergeschichten ist, wird man hier also entweder richtig schön verängstigt oder kaltgelassen... doch selbst wenn letzteres eintreten sollte, wird man an der butterweichen Regie und den spielfreudigen Jungdarstellern seine Freude haben. Etwas schade ist nur, dass am Ende schon überdeutlich eine Fortsetzung angekündigt wird, die der Film mit seinem offenen Ende zwar braucht, aber auch Angst vor einem mainstreamigeren Sequel macht. Als alleinstehender Horrorfilm hat "Scary Stories" in Sachen Plot zwar deutliche Schwächen, macht aber dennoch viel Freude. Und das hätte man dann auch einfach mal so sein lassen können, ohne gleich ein ganzes Franchise aus dem Boden zu stampfen. 

Fazit: Zu einem richtigen Horrorhit fehlt es "Scary Stories" gerade im letzten Drittel an Schwung und Endgültigkeit. Zuvor hat man dank sympathischer Charaktere, leisem Humor und einigen hervorragend inszenierten, intensiven Schauermomenten im Retro-Style aber schon ziemlich viele, wirklich gruselige Momente erlebt, die zum gemeinsamen Zittern einladen.

Note: 3+




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