Direkt zum Hauptbereich

Chinatown

Roman Polanskis Karriere schien eigentlich bereits beendet: Als er sich aufgrund diverser Vergewaltigungsvorwürfe und eines gegen ihn ausgestellten Haftbefehls nach Europa absetzte, schien er sich zu verschanzen, tatsächlich arbeitet er aber auch heute noch als Regisseur. In dieser Funktion hat Polanski einige der wichtigsten Filme ihrer jeweiligen Genre zu verantworten und ganz gleich, was man nun von seiner Person halten will... als Filmemacher war er immer ganz groß. 1968 erschuf er mit "Rosemaries Baby" einen der schockierendsten, wenn auch aus heutiger Sicht erzählerisch gedehnten Horrorfilme aller Zeiten, später lieferte er mit "Macbeth", "Frantic" und "Der Pianist" weitere Meisterwerke. Dazwischen verschwand er auch mal im Noire-Genre, als er 1974 "Chinatown" drehte... und auch der zählt heute zu den Kultfilmen seines Bereichs.

CHINATOWN


Los Angeles, 1937: Der Privatdetektiv Jake Gittes (Jack Nicholson) wird von einer Frau damit beauftragt, ihren Mann Hollis Mulwray (Darrell Zwerling) zu verfolgen - sie verdächtigt ihn des Ehebruchs. Gittes nimmt den Auftrag an und verfolgt Mulwray, welcher die Position des Chefingenierus der hiesigen Wasserwerke bekleidet und diesbezüglich in einen schweren Skandal verwickelt ist... kommt dann jedoch einer neuen, viel schockierenderen Sache auf die Spur. Offenbar hat sich Mulwray nämlich Feinde gemacht und auch die Auftraggeberin scheint nicht die zu sein, als die sie sich ausgegeben hat. Bald gerät Gittes selbst in den Fokus der Polizei und hinein in eine weitreichende Verschwörung, in welcher gefährliche Männer andere Schnüffler schon für wesentlich weniger Informationen Schaden zufügen wollen.

"Chinatown" war im Jahr 1975 für sagenhafte elf Oscars nominiert, gilt jedoch mit lediglich einem Gewinn (für das beste Original-Drehbuch) als einer der großen Verlierer des Abends. Jack Nicholson, Faye Dunaway, Polanski und auch der Film an sich gingen leer aus und mussten sich anderen Gewinnern, darunter dem Katastrophenfilm "Flammendes Inferno" sowie dem Gangster-Meisterwerk "Der Pate 2" von Francis Ford Coppola beugen. Nun will man hier auch nicht wirklich einen Vergleich herstellen, denn selbst die sechs Oscars, die der Pate hier mitnahm, klingen rückblickend recht wenig für einen Film, der so sehr mit der Kinogeschichte vereint ist. 
"Chinatown" spielt nun auch nicht ganz in diesen epischen Breiten, ist aber dennoch ein rundum gelungener Film, dem es eigentlich an nichts mangelt. Er besitzt eine spannende, wendungsreiche Geschichte, die sowohl cleverer Thriller als auch bittere Sozialkritik ist. Er versammelt grandiose Darsteller, hat eine schlichtweg makellose Regie von Roman Polanski zu bieten und trotz seiner langsamen und genauen Erzählweise so gut wie keine Längen. Dennoch ist höchste Konzentration verlangt, denn der Film macht nicht für etwaige Zuschauer, die sich nicht auf die dialoglastige Handlung einlassen wollen, Halt - wer hier nicht aufpasst, ist schnell draußen und dürfte "Chinatown" daher rasch als langatmiges, geschwätziges Machwerk abtun, welches einem rasch über den Kopf wächst. 
Wer aber von Anfang an hellwach ist und sich auf eine Geschichte, die gar mehrfach das Genre wechselt, bis sie pünktlich zum Finale eine schockierende Auflösung darbietet, die wirklich clever geschrieben ist, einlässt, der dürfte mit diesem Kultfilm seine wahre Freude haben. Der Film ist sehr gut gealtert und in einigen Bereichen auch heute noch aktuell. Zudem beweist "Der Ghostwriter"-Regisseur Roman Polanski seine akribische Arbeit, indem er das Los Angeles des Jahres 1937, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ungemein detailverliebt und genau nachstellt. In Sachen Atmosphäre ist diese Genauigkeit mehr als hilfreich und hilft dem Zuschauer auch über die spannende Geschichte hinaus, um sich einzufinden und so richtig in das Noir-Genre einzutauchen. 
Was man dann erlebt, ist ein Film, der sich gar nicht so wichtig macht, sich nicht aufplustert oder den Zuschauer manipulierend für sich einzunehmen versucht. Stattdessen erzählt er eine komplexe Geschichte, kritisch und düster, mit leisem Humor und ziemlich viel Köpfchen. Für den ein oder anderen mag das nicht besonders wirken, aber es ist sympathisch, dass ein Film wie dieser nun als Kult gilt, obwohl er sich zuvor offenkundig gar nicht die Mühe macht, so etwas zu werden. Deswegen halte ich Polanskis Noir-Thriller als ein rundum gutes Werk in Erinnerung, welches nicht mit anderen Klassikern des gleichen Jahrgangs konkurrieren kann, darüber hinaus aber ebenso erfrischend wie fordernd gerät und auch zu packen versteht.

Fazit: "Chinatown" macht es seinen Zuschauern mit seiner komplexen, wendungsreichen und ausgesprochen düsteren Geschichte nicht immer leicht. Wer aber dranbleibt, wird mit einem cleveren Plot, starken Darstellern und einem atmosphärisch dichten Treiben belohnt, welches trotz der langsamen Erzählung durchweg zu packen weiß.

Note: 2-




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se