In einer Zeit, in der tatsächlich jede kultige Marke versucht, irgendwie aus seinen Blockbustern ein ganzes Mega-Franchise zu formen, sind kernige Stand-Alone-Filme selten geworden. Sicherlich bin ich dankbar für die absolute Genialität des Marvel Cinematic Universe, darüber hinaus sind diese weiteren Franchises aber zumeist schon im Ansatz erstickt. Universals Monster-Reihe beispielsweise war schon beendet, bevor sie begonnen hatte und mit "Die Mumie" gab es gar nur einen ziemlich durchschnittlichen Vertreter, ehe man die Pläne rund um Den Unsichtbaren oder den Wolfsmensch wieder über den Haufen warf. Joe Johnstons "Wolfman" stammt aus dem Jahr 2010, als man noch nicht darüber nachdachte, dass diese Kreatur in späteren Filmen vielleicht mal gemeinsame Sache mit Dracula oder Frankenstein machen könnte. Als Stand-Alone-Remake der bekannten Horrorgeschichte taugt der Film allerdings auch nichts...
WOLFMAN
Als sein Bruder Ben (Simon Merrells) verschwindet, reist der Bühnenschauspieler Lawrence Talbot (Benicio del Toro) im Jahr 1890 auf das Zureden von Bens besorgter Ehefrau Gwen Conliffe (Emily Blunt) in seine Heimat Blackmoor. Dort erfährt er unter anderem von seinem Vater Sir John Talbot (Anthony Hopkins), dass Ben verstorben ist... und offensichtlich eine grauenvolle Kreatur in den finsteren Wäldern dafür verantwortlich ist, die bereits mehrere Männer zerfleischt hat. Lawrence macht Jagd auf die Kreatur, wird von ihr jedoch schwer verletzt. Als seine Heilung überraschend schnell voranschreitet, springt Scotland Yard in Form des erbitterten Polizisten Francis Aberline (Hugo Weaving) ein... der hat nämlich einen nahezu schrecklichen Verdacht.
Nun gut, diese Inhaltsangabe ging jetzt zwar etwas weiter über die erste halbe Stunde des Films hinaus, aber lassen wir die Kirche ruhig mal im Dorf: Jeder kennt die Geschichte des Wolfsmenschen und daher ist es eigentlich noch zu viel Geheimniskrämerei, die ich in der Beschreibung der Geschichte betreibe. Tatsächlich gelingt es Joe Johnston, der seit seinen absolut durchschnittlichen Blockbuster-Beiträgen in Form von "Jurassic Park 3" und "Hidalgo" ja wirklich als Auftragsregisseur ohne eigene Note gilt (auch wenn er mit dem ersten "Captain America"-Film sehr schön zum großen MCU beigetragen hat), der altbekannten Geschichte keinerlei neue Aspekte zu verleihen, die in irgendeiner Form fasznierend sind. Er entspinnt zwar drumherum noch so etwas wie eine Familiengeschichte und das Mysterium um die Identität des Wolfsmenschen, aber beides hat nur eine kurze Wertigkeit in Sachen Spannung.
Wer denn nun der böse Wolf ist (nein, wir sind nicht in "Red Riding Hood", auch wenn die Qualität ähnelt), ist angesichts des überschaubaren Figurenquartetts wirklich keine Überraschung und auch das finstere Familiendrama, welches Lawrence Talbot hier wehleidig mit sich herumschleppt, ist weder sonderlich berührend noch schockierend, sondern in der langwierigen Auswalzung vergangener Ereignisse eher als zäh anzusehen. "Wolfman" hat ohnehin schon kein hohes Tempo und keine spannende Geschichte zu bieten, dass man dem aber dennoch ständige Bremstritte mit auf den Weg gibt, die HIntergründe eröffnet, die Tiefe einleiten sollen, dies aber nicht können, ist tatsächlich eine echte Fehlentscheidung. Natürlich wäre es ebenso langweilig, hätte man die finstere Kreatur hier einfach alle fünf Minuten morden und heulen lassen, aber wenn das auch nicht funktioniert, könnte man sich zumindest einen stimmigeren Plot einfallen lassen.
Hier setzt sich "Wolfman" also letztendlich zwischen alle Stühle und schwankt unentschlossen zwischen ehrfürchtiger Verbeugung vor dem Kultklassiker und mauer Neuinterpretation von längst bekannten Handlungen. Immerhin macht Johnston optisch so einiges aus seinem Werk - die finsteren Bilder in Wäldern, Schlössern und Wirtshäusern machen Stimmung und die generelle Dunkelheit des Films übertünchen dann auch die ziemlich schwachen Computereffekte. Vielleicht wollte man sich mit denen aber eben auch vor den Horrorklassikern aus vergangener Zeit verbeugen und das funktioniert, dank ein paar netter Masken, doch recht gut.
Aber immerhin entstand der Film auch im Jahr 2010, deswegen darf es auch etwas brutaler zugehen. Man darf davon ausgehen, dass "Wolfman" die Freigabe ab 16 Jahren nur erhalten hat, weil Johnston es hier doch etwas übertreibt: Mit abgerissenen Gliedmaßen, Enthauptungen, Blutströmen und qualvoll dahinsiechenden Zivilisten geizt er hier nämlich nicht und ist somit wesentlich härter als all die Monsterfilme, die wegen ihrer bemühten Franchise-Pläne eher ein Massenpublikum ansprechen... und deswegen braver bleiben. Aber nun sind solcherlei Splatter-Szenen eben auch nicht alles in einem Film, der sich offensichtlich noch höhere Maßstäbe gesetzt hat, an diesen aber deutlich scheitert. Für einen kühlen Herbstabend gibt es jedenfalls wesentlich atmosphärischere und subtilere oder eben auch unterhaltsamere Horrorstreifen, bei denen man sich gruseln kann.
Fazit: Leider verpasst Joe Johnston es, der bekannten Geschichte neue Facetten zu verleihen. Er konzentriert sich zu einem Teil auf sehr lauten und blutigen Horror, zum anderen auf eine ziemlich vorhersehbare Familiengeschichte. Das ist über zwei Stunden hinweg nie gruselig, dafür aber ziemlich zäh.
Note: 4
Kommentare
Kommentar veröffentlichen