Es gibt diese Filme, die man schon seit Jahren unbedingt sehen wollte, es aber bislang einfach nicht getan hat. "Inherent Vice" stand im Grunde schon seit dem Erscheinen seines Trailers auf meiner Watchlist, dieser war nämlich so gut, dass ich ihn mir immer wieder ansehen könnte. Allerdings gefiel dieser Trailer eben auch weitestgehend durch seine herrliche Musikuntermalung und den gekonnten Schnitt - Dinge, die im letztendlichen Film auf diese Art und Weise so nicht vorkommen würden, weswegen ich bereits damit rechnete, dass mir das Werk von Regisseur Paul Anderson vielleicht auch gar nicht liegen könnte. Und auf solch eine Enttäuschung stellte ich mich dann auch ein und womöglich lag es daran, dass ich ganze fünf Jahre vom Kinostart bis heute brauchte, um mir die zweieinhalb Stunden Zeit zu nehmen... und diese endeten tatsächlich in einer großen Enttäuschung, da mir "Inherent Vice" überhaupt nicht lag.
INHERENT VICE
1970: Larry Sportello (Joaquin Phoenix), von seinen Freunden nur "Doc" genannt, verdient sein Geld als Privatdetektiv und schmeißt seinen Gewinn hauptsächlich für Gras aus dem Fenster. Als eines Tages seine Ex-Freundin Shasta Hepworth (Katherine Waterston) vor der Tür steht und ihn bittet, für sie eine Verschwörung aufzuklären, die mit einer Affäre und Entführung des superreichen Immobilien-Geschäftsmanns Mickey Wolfmann (Eric Roberts) zu tun hat, ist der völlig zugedröhnte Doc erst einmal überfordert. Aus Liebe zu der Frau, die für ihn offenbar nichts mehr empfindet, macht er sich dennoch auf den Weg, um einige Spuren zusammenzukratzen und lernt dabei einige ziemlich verschrobene Leute kennen. Auch kreuzt sich sein Weg mit dem des bulligen Polizisten Christian Bjornsen (Josh Brolin) und dem ist Doc's neuer Pfad so gar nicht geheuer...
Tatsächlich ist bei "Inherent Vice", den ich so viele Jahre vor mir hergeschoben habe, nun eher das eingetreten, was ich befürchtet und nicht das, was ich erhofft habe: Der Film hat definitiv seine Vorzüge, allerdings keine, die mich in irgendeiner Form unterhalten haben. Ich hätte es ahnen müssen, da ich mit den von Kritikern umjubelten Werken von Regisseur Paul Thomas Anderson bislang eben auch nur wenig anfangen konnte. "Magnolia" habe ich Ende der 90er noch absolut geliebt, nachfolgend enttäuschten mich aber sowohl "Der seidene Faden" und auch "There Will Be Blood"... nicht, weil es schlechte Filme sind, sondern einfach, weil ich mit dieser Art des enorm entschleunigten Geschichtenerzählens weniger anfangen konnte. Und wenn dieser Regisseur nun eine Form der skurillen Kiffer-Komödie ansteuert, ist klar, dass er sich damit soweit wie möglich vom Massenpublikum entfernen wird, um seine ganz eigene Note zu streuen.
Das ist im Kern natürlich löblich und mutig, aber es besteht auch die Gefahr, viele Zuschauer zu verprellen und das ist ihm bei mir nun gelungen. "Inherent Vice" hat, auch wenn es hier nun nicht wie beim stellenweise ähnlich gearteten "The Big Lebowski" zum Kultfilm gereicht hat, seine Fans und das ist auch gut so - Filme wie diesen, mutig und einfach nur mal richtig anders, gibt es nämlich viel zu selten. Und auch wenn ich "Inherent Vice" mit allem, was ich hatte, einfach nur lieben wollte, ich konnte es einfach nicht. Der Film erzählt schon eine gewisse Geschichte und es ist auch durchaus möglich, dieser zu folgen. Es stellt sich nur die Frage, ob man nicht mit der Zeit einfach das Interesse daran verliert, da Anderson seinen zahlreichen Figuren etliche Plots und Manirismen mit auf den Weg gibt, die sich alsbald gegenseitig im Weg stehen.
Vielleicht fehlt es mir aber auch einfach an dem Zeitgeist oder der Film trifft nicht meinen Humor: Es gibt Szenen, die mich haben schmunzeln lassen, darüber hinaus war die Qualität der Gags aber ziemlich gering und beliefen sich weitestgehend auf Drogenkonsum oder eben darauf, was für Doc nun real ist oder nicht. Aus diesen Fragen macht der Film zu wenig und konzentriert sich lieber auf seinen abgedrehten, nicht sonderlich spannenden Kriminalfall. Was Anderson damit aussagen will, wird er selbst am Besten wissen. Womöglich ging es ihm auch gar nicht um einen sinnigen Plot, sondern nur um ein Bild einer Zeit, die beinahe vergessen ist und das gelingt ihm durchaus. Und dennoch verbinden sich die skurille Komik, die beinahe tragikomische Dramaturgie seines (Nicht)-Plots und die minutiös perfekt durchstilisierte Optik, die uns zurück in die späten 60er entführt, nicht zu einer stimmigen Einheit.
Denn über zweieinhalb Stunden ist das Herumreiten auf dem Drogenkonsum und dem Folgen unsinniger Fährten doch etwas zu wenig und obwohl Anderson mit einer schlichtweg grandiosen Starbesetzung aufwartet, kann auch diese nie darüber hinwegtäuschen, dass es doch etwas zu hoch ist, was er hier wollte. Joaquin Phoenix spielt hier erwartungsgemäß großartig, während sich "Labor Day"-Star Josh Brolin als waschecher Scene Stealer erweist: Seine letzte Szene ist dabei so krude und genial, wie man es sich nur wünschen konnte. Ich konnte also durchaus etwas mitnehmen und war dennoch vollkommen unterwältigt und verwirrt. Das wollte Anderson vielleicht auch genauso, für mich war es aber kein guter Film und ließ mich so nach 150 Minuten angestrengt aus dem Sessel sinken. Diesen absolut grandiosen Trailer werde ich mir aber sicherlich noch das ein ums andere Mal ansehen.
Fazit: "Inherent Vice" ist ein kruder Mix aus skuriller Komik, gegen ihr Image anspielender Top-Stars, nichtigem Plot und detailgetreuem Zeitgeist. Verwirrend, lang, ungemein konfus und somit fast unmöglich sinnig zu konsumieren. Definitiv kein Film, den ich genossen habe, aber ein Film, der gerade aufgrund seiner eigensinnigen Erzählung Fans finden wird. Ich bin aber definitiv keiner davon.
Note: 5+
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