Manchmal frage ich mich, was Streamingdienste sich denken, wenn sie die Inhaltsangabe eines Filmes schreiben, den man sich bei ihnen ansehen kann. Glücklicherweise las ich die von "White Boy Rick" erst nach der Sichtung des eigentlichen Filmes, ansonsten wäre mir der Spaß, der bei diesem Werk eh nur durchschnittlicher Natur ist, wohl komplett abhanden gekommen. Amazon Prime verriet in der knappen Inhaltsbeschreibung nämlich einfach mal das Ende. Nun beruht "White Boy Rick" auf wahren Begebenheiten, mit denen sich manch einer schon einmal beschäftigt hat, doch ich persönlich kannte zumindest den Ausgang der Geschichte vorher nicht und hätte mich wohl ziemlich geärgert, wenn mir dieser gespoilert worden wäre. Das hier nur als kleine Warnung für all diejenigen, die sich den Gangster-Thriller auf Prime noch ansehen wollen: Am besten gleich auf "Kaufen" oder "Leihen" drücken oder den Trailer ansehen, aber nicht die Inhaltsangabe lesen. Soviel dazu und nun zur Kritik!
WHITE BOY RICK
1984: Eigentlich will Richard Wershe (Matthew McConaughey) seinen beiden Kindern Ricky (Richie Merritt) und Dawn (Bel Powley) bald ein friedliches Leben ermöglichen, indem er eine eigene Videothek eröffnet. Bis dahin muss er sich jedoch noch mit illegalen Waffenverkäufen über Wasser halten. Als das FBI ihn erpresst, schaltet sich Ricky ein und wird ein Informant des Gesetztes, rutscht in den Sumpf aus Drogen und Machtspielchen, der seiner Schwester schon längst verfallen ist. Mit der Zeit steigt der fünfzehnjährige Junge jedoch zu einem beachteten Händler auf, der sich auch Feinde macht. Und auch das FBI ist sich ihrer Sache bald nicht mehr sicher und weiß nicht, ob sie den Jungen noch halten kann...
Die Geschichte des aufstrebenden Gangsters, der letztendlich tief fällt, haben wir in der Filmgeschichte schon etliche Male gesehen und auch einige der größten Genre-Klassiker aller Zeiten leben genau von diesem Plotmuster. Es ist also sehr schwierig bei solch gigantischen Vorbildern noch wirklich etwas Neues zu erzählen und genau dabei hapert es bei "White Boy Rick" sehr deutlich. Wir haben eine solche Aufstieg-und-Fall-Story schon unzählige Male gesehen und dies eben auch überzeugender und spannender, während der Film von Regisseur Yann Demange eher auf Autopilot fährt. Das macht er generell nicht zu schlecht und zumindest der Wink, dass die Hauptfigur hier schon sehr früh zu einem Informanten des FBI wird, bringt zumindest etwas neuen Schwung in die Sache.
Das hilft aber nicht, um die Spannung über 111 Minuten durchgehend hochzuhalten und gerade im Mittelteil verliert das Werk somit auch seinen roten Faden, wird unfokussiert und auch ein wenig fahrig. Einige schockierende Wendungen gibt es zwar auch, doch bleiben auch diese letztendlich ohne echte Konsequenz, was den Eindruck einer Episodenhaftigkeit erhöht. Das passt generell, schließlich spielt der Film auch über mehrere Jahre hinweg, aber ein runder Eindruck einer in sich geschlossenen Geschichte entsteht auch nur bedingt. Viele der Nebenfiguren fallen alsbald unter den Tisch und auch die Wandlung Ricky's bleibt eher eine Fassade. Demange inszeniert seinen Thriller mit allerlei Kraft, aber auch hier vermag er es nicht, seinen eigenen Stempel aufzudrücken, biedert sich eher bei Kollegen an, findet keinen einheitlichen Ton.
"White Boy Rick" unterhält zu diesem Zeitpunkt nur deswegen noch solide, weil solche Geschichten schon immer einen gewissen Reiz ausüben und weil Demange es schafft, seinen Ricky nicht zu einer Art tragischem Held zu verwursten, auch wenn solch ein Schritt gegen Ende leicht hätte genommen werden können. Stattdessen bleibt Demanges Sicht auf die Dinge einigermaßen ambivalent, was man dem Film durchaus hoch anrechnen kann - anderenfalls wäre es aber wohl auch nicht bei einer für einen Streifen wie diesen recht harmlosen FSK-12-Stempel geblieben, denn hier können jüngere Zuschauer zumindest auch noch etwas lernen.
Schauspielerisch ist hier aber soweit alles im Lot und dass sich ein Matthew McConaughey, obwohl auf Postern und im Abspann prominent im Vordergrund, hier nur mit einer starken Nebenrolle vergnügt und den Hauptteil seinem Filmsohn Richie Merritt überlässt, ist zumindest sympathisch. "Der Mandant"-Star McConaughey macht seine Sache dabei erwartungsgemäß grandios, ohne aber, wie so oft in letzter Zeit, unangenehm zu überzeichnen. Ob Richie Merritt derweil eine große Kinokarriere anstreben wird, bleibt abzuwarten - er macht seine Sache gut, aber nicht überragend. In kleinen Nebenrollen werden weitere großere Namen indes eher verheizt, was etwas schade ist, da sie zuvor allesamt einen starken Eindruck hinterlassen. Bruce Dern ist als grantiger Großvater eine echte Bank, leider fallen seine Auftritte aber sehr spärlich aus. Und was Eddie Marsan in seinen wenigen Szenen, in denen er als Möchtegern-Prolet die Fuffies durch den Club wirft, hier aussagen wollte, das wird wohl auch nur er allein wissen.
Fazit: "White Boy Rick" erzählt nichts Neues und bleibt daher hinter seinen gigantischen Genre-Kollegen weit zurück. Der Film ist einigermaßen spannend und läuft gegen Ende passend aus, aber es ist auch nichts dabei, was man nicht woanders schon besser und innovativer gesehen hat, was auch zu Yann Demanges uneigenständiger Inszenierung passt.
Note: 3-
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