Direkt zum Hauptbereich

Lost in Translation

Mir Filme anzusehen, die mir großspurig von guten Freunden empfohlen wurden, ist immer eine heikle Sache. Wenn ich diese Menschen gut kenne, gebe ich oftmals auch etwas auf ihren Filmgeschmack und habe dann umso mehr Angst davor, dass mir ein Film, der ihnen offensichtlich sehr viel bedeutet, mir plötzlich gar nicht zusagt. Natürlich ist das immer eine Sache des eigenen Geschmacks und für den sollte man sich in keiner Weise entschuldigen oder rechtfertigen müssen, aber seien wir mal ehrlich: Ganz tief in uns drin wollen wir, dass die Filme, die unsere liebsten Menschen mögen, auch uns gefallen. Bevor ich mir "Lost in Translation" ansah, betete ich also zum Filmgott, dass dieser meinen Geschmack treffen möge, wollte ich doch angesichts dieses Filmes, der gemeinhin ja als moderner Klassiker seines Genres gilt, niemandem auf die Füße treffen. Tatsächlich mochte ich Sofia Coppolas oscarprämierten Film auch... aber nicht so sehr, wie ich zuvor gehofft und erwartet hatte.

LOST IN TRANSLATION


Filmstar Bob Harris (Bill Murray) befindet sich für einen millionenschweren Werbedreh in Tokio - abgeschnitten von seiner Frau und der kaputten Ehe, die sie mittlerweile wie ein Alibi führen, hofft Bob, hier neben der Arbeit, mit der er sich nicht mehr identifizieren kann, seine Ruhe zu finden. Gleichzeitig ist die junge Charlotte (Scarlett Johansson) mit ihrem Ehemann John (Giovanni Ribisi), einem Starfotografen, im selben Hotel wie Bob abgestiegen - auch sie spürt, wie sie keinen richtigen Draht mehr zu ihrem Mann findet, erstickt beinahe in der Einsamkeit, mit welcher John sie immer wieder zurücklässt. Die Wege von Bob und Charlotte kreuzen sich schließlich in einer Bar und gemeinsam begeben sie sich auf einen Weg, mitten ins Herz der Metropole, der ihr Leben für immer verändern soll...

Eigentlich hatte der Film mich schon nach einer Minute. Als er nach dem Titel öffnet und wir Bill Murray sehen, der staunend in einem Taxi sitzt und von den etlichen Werbereklamen, die hektisch und grell auf ihre Zuschauer hinunterleuchten, beinahe erschlagen wird, nicht wissend, ob er erstaunt oder überflügelt sein soll, empfinden wir jedes noch so kleine Gefühl, welches Murray und Regisseurin Sofia Coppola hier übertragen wollen. Anschließend wandelt sich der Film sehr schnell in etwas, was ihm viele Kritiker als überzeichnete und ganz und gar feindselige Tour ansehen wollten. Ein zutiefst überforderter Bob Harris wandelt durch das schrille Japan und wird mit allerlei quietschfidelen, lauten und bunten Dingen konfrontiert, die in seiner Kultur nicht verankert sind. Es fällt ihm schwer, sich in Japan zu verständigen. Er weiß nicht, was all diese Menschen von ihm wollen und weiß erst recht nicht, wie er für sie arbeiten soll, wenn schon die Übersetzerin während seines Werbejobs kaum fähig ist, ihm passende Worte mitzuteilen. 
In diesen Momenten lachen wir sicherlich über die passende "Fish out of Water"-Story - was viele Kritiker jedoch nicht verstanden haben, ist, dass wir niemals über Japan, ihre Kultur oder den verlorenen Bob Harris lachen, sondern ganz klar mit ihnen. Ein überzeichnetes Karaoke ist ebenso witzig wie ein Auftritt in einer Talkshow, in welcher der Moderator jedes Wort mit extremem Grinsen herausbrüllt, in diesen Szenen liegt aber auch so viel komödiantische Wahrheit, die noch dazu niemals als Beleidigung oder ähnliches ausgelegt wird, sondern in welcher viel mehr eine Bewunderung für die andere Seite der Welt liegt, dass man hier nur den Hut ziehen kann. Der Komödienteil, welcher die erste Hälfte des Films beherrscht, trifft hier auch genau den Punkt und lebt besonders von zwei Dingen: Von der schlichtweg schnörkellosen Regie von "Die Verführten"-Regisseurin Coppola, die viele Momente improvisieren ließ und ihnen so erst ihre Glaubwürdigkeit, ihr echtes Leben einhauchte. Und von Bill Murray, der mit genau solcherlei Improvisationen sein diesmal zurückgefahrenes und gerade deswegen so treffsicheres Comedy-Timing mit wenigen Blicken und ganz kleinen Gesten zur absoluten Meisterleistung hinaufzieht. 
Murray erschafft eine Figur, mit der wir gerne lachen, aber es gelingt ihm auch, die tiefe Einsamkeit und Ziellosigkeit seines Charakters durchgehend mitscheinen zu lassen, ohne dass diese dem Zuschauer aufdringlich vor den Latz geknallt wird. In Form einer charmanten und ungemein intelligenten Komödie lernen wir seinen Bob Harris so schon in wenigen, kleinen Momenten kennen und lieben - dafür gabs dann auch vollkommen zurecht eine Oscarnominierung. Scarlett Johansson, die zum Zeitpunkt des Drehs gerade einmal siebzehn Jahre alt war, bringt schließlich den zwischenmenschlichen Plot in Schwung und gut ab der Hälfte des Films, wenn sich die "Fish out of Water"-Geschichte zu einem wortkargen, sentimentalen und sehr stillen Drama wandelt, änderte sich meine Meinung. 
Ich liebe die Message, die "Lost in Translation" transportieren will: Dass wir alle gerettet werden können von diesem einen Menschen, wenn wir nur mal genauer ansehen. Ich liebe Coppolas eigenwillige, beinahe mythische Atmosphäre, die sogar die letzten Worte des "Pärchens" verschluckt. Und ich liebe das Zusammenspiel zwischen Johansson und Murray, die so glaubwürdig und elegant miteinander umgehen, dass man glaubt, die beiden müssten sich bereits seit hundert Jahren kennen. Und doch wurde mir der Film ab diesem Punkt, an welchem die persönliche Bindung zweier Fremder im Mittelpunkt stehen, doch etwas zu magisch. Natürlich ist die Message eine schöne, so richtig folgen wollte ich dieser aber irgendwann nicht mehr, denn an einigen Stellen macht es sich Coppola doch etwas zu einfach. Es ist schön, dass sie die üblichen Genre-Klischees locker umfährt und die Beziehung zwischen Bob und Charlotte zu etwas Besonderem überhöht, an einigen Stellen, wenn man schlichtweg nur noch eine zwischenmenschliche Magie spielen lässt, wäre weniger aber mehr gewesen.

Fazit: Bill Murray und Scarlett Johansson glänzen in einem ungemein intelligenten, weisen und herrlich spaßigen Werk, dem im letzten Drittel aufgrund seiner etwas zu simplen, wenn auch sehr schönen Message die Puste ausgeht. Zuvor haben wir viel gelacht und über Coppolas grandiose Regie gestaunt, am Ende wäre aber vielleicht noch mehr drin gewesen.

Note: 3+




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid