Dass James Horner einer der begnadetsten Filmkomponisten aller Zeiten war, dürfte wohl niemand ernsthaft anzweifeln. Bis zu seinem tragischen Unfalltod im Jahr 2015 ist er mehrmals für den Oscar nominiert worden und nahm diesen im Jahr 1998 gleich zweifach entgegen, als "Titanic" in elf Kategorien abräumte. Daneben komponierte er die Musik zu Meisterwerken wie "Braveheart", "Apollo 13" und James Camerons "Avatar" und wartete in jedem dieser Filme mit einem schier grandiosen Soundtrack auf. Selbst in schwächeren Filmen entwickelte er einen starken Score, wobei man hier jedoch zwischen der Genialität der Musik an sich und der Einspielung in den jeweiligen Film unterscheiden muss. Denn musikalisch ist zum Beispiel auch das Drama "Sie nennen ihn Radio" mal wieder eine fantastische Arbeit seitens Horner - leider findet der viel zu übertragisch eingespielte Score aber nicht den richtigen, wirkungsvollen Platz in einem auch darüber hinaus viel zu überzeichneten Film.
SIE NENNEN IHN RADIO
Harold Jones (Ed Harris) ist Lehrer und der Coach des Football-Teams an der T.L. Hanna High School in South Carolina. Jeden Tag geht am Trainingsfeld der anscheinend zurückgebliebene und für sich allein bleibende Afroamerikaner James Kennedy (Cuba Gooding junior) vorbei und als Jones eines Tages Zeuge davon wird, wie die Mannschaft den armen Afroamerikaner drangsaliert, schaltet er sich ein. Er nimmt Kennedy, den er alsbald wegen seiner Vorliebe zu Radios nur noch eben "Radio" nennt, unter seine Fittiche und schleust ihn als Helfer und schließlich auch als Herz des Teams in die Mannschaft ein. "Radio" findet schnell Freunde und Bewunderer, doch nicht jeder ist damit einverstanden - wichtige Vertreter der Schule und Finanzgeber der Mannschaft fürchten, dass Radio den Sport stört und glauben sogar, dass der zurückgebliebene Junge eine Gefahr für die schulische Einrichtung darstellen könnte, in welcher er immer öfter auftritt...
In den USA war der Film, der dabei auf einer wahren Begebenheit beruht, ein Überraschungserfolg - vielleicht, weil sich viele Zuschauer von den doch recht oberflächlichen Emotionen blenden ließen, die dieser Film übertragen möchte. Generell ist es löblich, dass Regisseur Michael Tollin die echte Geschichte nicht fürs Kino künstlich aufbläht, sondern sich eben das zu eigen macht, was wirklich geschehen ist. Dies führt aber auch dazu, dass es eben doch recht wenig an knackiger Dramaturgie ist, was wir hier zu sehen bekommen - Harold Jones und "Radio" weht etwas Wind entgegen, aber so richtig Dampf bekommen die Konflikte eigentlich nie und lösen sich alsbald in Wohlgefallen auf. Ob nun diese quitschfidele "Wir haben uns alle lieb"-Mentalität, in welche der Film schon nach der Halbzeit immer wieder hereinrutscht, so nah an der Realität ist, darf auch wieder angezweifelt werden, auch weil Tollin filmische Muster benutzt, um dem Ganzen zumindest etwas mehr Größe zu geben.
Den Soundtrack von James Horner habe ich bereits erwähnt und der ist große Klasse: Leider spielt Tollin ihn aber selbst in ruhigeren, persönlicheren Momenten so ekstatisch und laut ein, dass jede Subversität komplett flötengeht und auch all die Superzeitlupen, das Gejubel und eine Szene, in der jeder dem tollen Radio mal applaudieren darf, hätte man so nicht gebraucht. Es ist also ein ziemlich schweres Unterfangen, eine solche Geschichte, die zwar irgendwie bewegend und aufbauend ist, darüber hinaus aber wenig echten Konflikt zu bieten hat, stimmig und spannend zu erzählen und dass Tollin auf solch abgegriffene Klischees zurückgreifen muss, macht auch ein wenig deutlich, dass er nicht genau wusste, wie er am Ende das Massenpublikum erreichen will. Dabei landet er also zwischen allen Stühlen und das obwohl der Plot an sich ja schon zu berühren weiß. Tollin legt in vielen Momenten nur einfach zu viel nach und tut dafür in anderen Momenten einfach zu wenig, weswegen ein unrunder und ziemlich nichtiger Eindruck entsteht.
Der größte Makel liegt jedoch an der titelgebenden Hauptfigur bzw. dem Hauptdarsteller, der dieser für die Kinoleinwand sein Gesicht leiht. Cuba Gooding junior ist definitiv kein schlechter Schauspieler, hat schließlich auch schon seinen Oscar im Schrank stehen... aber mit diesem Part hat er sich keinen Gefallen getan. Offensichtlich zu großen Dramen wie "Forrest Gump" herüberschielend überzeichnet Gooding seine Darstellung bis zum unangenehmen Konkurs - in vielen Momenten erinnert seine mäandernde Darstellung eher an die albernen Parodien, die Ben Stiller in "Tropic Thunder" zum Besten gab und die waren zumindest noch überzeichnet gemeint. Gooding jedoch meint das ernst: Er stottert, er zittert, er läuft verquer, er grinst, hüpft, lacht und nichts davon wirkt glaubwürdig, sondern eher, als würde der Schauspieler nicht wissen, wie er dem denn Gewicht verleihen soll, weswegen er sich entschied, einfach mal alles in einen Topf zu werfen. Seine Darstellung entwertet den Film enorm und wenn während des Abspanns Bilder und Videos des echten "Radio" gezeigt werden, wird dem Zuschauer auch noch einmal der Spiegel vorgehalten: Hier sieht man, wie weit entfernt Gooding von der echten Person war und wie viel mehr er überhaupt getan hat, was hier wirklich nicht zum Guten des Films beiträgt. Neben ihm agiert aber immerhin "Truman Show"-Star Ed Harris noch mehr als solide, allerdings ist dieser Auftritt angesichts seines Starkalibers und seines ungemeinen Talents auch nicht meh als eine Randnotiz... aber immerhin eine, die dank des rauen Charmes und der kleinen Gesten dieses Schauspielers einige Szenen und bisweilen sogar den Film zu retten vermag.
Fazit: Cuba Gooding junior spielt sich in einer der herausfordernsten Rollen, die ein Schauspieler so annehmen kann, einen Wolf und ist dem in seiner überzeichneten Performance nicht mal ansatzweise gewachsen. Auch der Rest des Films überzeugt, trotz einem starken Ed Harris und einer im Kern bewegenden Geschichte, aufgrund der lauen Dramaturgie nur selten.
Note: 4+
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