Nicht jeder Bestseller eignet sich auch direkt für eine ebenso atemberaubende und erfolgreiche Verfilmung. Das gilt für manch gefloppte Fantasy-Produktionen, die auf dem x-ten Jugendbuch basieren und die Fans nach "Harry Potter" beglücken sollen, aber eben auch für weitere Bücher, zu denen man sich nur schwer eine bebilderte Version vorstellen kann. Die besten, fantastischsten Bilder entstehen schließlich immer noch im Kopf des Lesers und nur weil Peter Jackson dieser These mit seiner "Der Herr der Ringe"-Trilogie mal einen Gegenpol entgegenstellte, heißt das nicht, dass diese nun automatisch außer Kraft gesetzt ist. Im Jahr 2014 kam die Verfilmung des Thriller-Bestsellers "Ich darf nicht schlafen", die besonders auf eine an "Memento" erinnernde Ausgangssituation fußt, in die Kinos und lieferte erneut den Beweis, dass ein gutes Buch nicht auch gleich einen guten Film macht.
ICH. DARF. NICHT. SCHLAFEN.
Christine Lucas (Nicole Kidman) leidet an Amnesie - jeden Abend, wenn sie schlafen geht, löscht ihr Gehirn alle Informationen, die sie über den Tag sammelte. Ihr Ehemann Ben (Colin Firth) kümmert sich um seine Frau, gibt ihr Hilfestellungen und trägt sogar die Last, sich seiner Frau an jedem Morgen neu vorstellen zu müssen. Während Christine diese Informationen verkraftet und ihr Mann sie alleine zuhause lässt, stellt sie jedoch fest, dass dieses Leben nicht so einfach ist, wie es scheint, geben doch der Anruf des Psychiaters Dr. Nasch (Mark Strong) sowie eine Videokamera in einem Schuhkarton Hinweise auf seltsame Dinge. Verlor Christine ihr Gedächtnis wirklich bei einem einfachen Unfall? Verheimlicht Ben vielleicht Dinge vor ihr? Und hat Christine in dem Leben vor dem Vorfall vielleicht Dinge getan, die erst zu ihrer Amnesie führten?
Die Ausgangssituation ist spannend: Wem kannst du vertrauen, wenn du dich an nichts erinnern kannst? Kannst du sicher davon ausgehen, dass das Leben, welches dir vorgeführt wird, wirklich echt ist? Wem kannst du vertrauen, wenn du nicht einmal dir selbst vertrauen kannst? All diese Fragen weiß "Ich darf nicht schlafen" von "28 Weeks Later"-Regisseur Rowan Joffe durchaus interessant und aufwühlend zu verpacken und streut immer wieder kleine Hinweise, die Löcher in dieses darüber hinaus so simple und ansprechende Leben seiner Hauptfiguren reißen. Informationen, die sich gegenseitig zu widersprechen scheinen, kleine Andeutungen, Erinnerungsfetzen, die aufploppen, wenn Christine in einem Moment mit einer gewissen Szene konfrontiert wird.
Rein inszenatorisch reißt Joffe dabei keine Bäume aus, hangelt sich eher am Genre-Einerlei ab, ohne dem Film dabei seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Hin und wieder agiert er dabei auch zu laut und zerstört seine im Kern ansprechend intensive Atmosphäre durch das zu druckvolle Einspielen des austauschbaren Scores von "Miss Undercover"-Komponist Ed Shearmur, will in seinen wilden Schnitten eine Spannung aufbauen, die die Situation aber ohnehin schon hergegeben hat. Das wäre alles aber nun nicht so wild, steht und fällt ein solcher Film nämöich vordergründig mit zwei Dingen: Dem Drehbuch und der Hauptdarstellerin, die hier den Löwenanteil aller vor der Kamera Beteiligten zu tragen hat.
Bezüglich letzterem macht "Ich darf nicht schlafen" soweit alles richtig und hat sich mit "Vor ihren Augen"-Star Nicole Kidman eine Hauptdarstellerin ins Boot geholt, die als getriebene, verwirrte und letztlich gegen ihre eigenen Erinnerungen ankämpfende Frau durchweg überzeugt. Beinahe noch besser agieren die beiden Männer, denen Christine Lucas hier eventuell nicht so leicht über den Weg trauen soll: Der britische Oscarpreisträger Colin Firth sorgt mit stoischer Ruhe, die auch Misstrauen auslösen könnte, für enorme Präsenz und Mark Strong ist alsbald zwar ein wenig ein Spielball des Skripts, weiß ansonsten aber mit einer nuancierten Darstellung zu gefallen. Dieses Skript, was letztendlich nicht nur Strongs Dr. Nasch, sondern auch die anderen Figuren wie Bälle durch die Handlung wirft, ist allerdings der ganz klare Schwachpunkt... und eben jener, mit dem "Ich darf nicht schlafen", ein Film, der sich in seiner Ausgangssituation klar auf sein Drehbuch verlassen muss, dann scheitert.
Mit recht eindeutigen, falschen Fährten versuchen die Autoren, dem Zuschauer ein Schnippchen zu schlagen, die von Anfang an aber klar zu erkennende Schlusswendung lässt sich durch diese schwachen Versuche nicht überzeichnen. Dass der Plot darüber hinaus, je näher Christine der vermeintlichen Lösung des Geheimnisses kommt, über eklatante Logiklöcher verfügt und seine Nebenfiguren immer so zu stellen scheint, wie sie eben gerade gebraucht werden, damit der Film und seine Wendung noch nicht beendet oder aufgedeckt werden können, fällt schon früh auf. So hat der Zuschauer schon viel früher als seine Protagonisten enttarnt, was hier denn eigentlich los ist und wird sich ab diesem Zeitpunkt aufgrund der arg schwachen Auflösung der Ereignisse resigniert zeigen... bis zum kitschigen Ende, was dem Ganzen noch die Krone aufsetzt. Kidman, Firth und Strong versuchen mit aller Kraft, gegen solche Plotpatzer anzukämpfen, doch letztendlich bleiben sie in diesem absolut mauen Skript auch etwas verloren.
Fazit: Inszenatorisch durchschnittlich, schauspielerisch überdurchschnittlich und in Sachen Plot eine halbe Katastrophe - "Ich darf nicht schlafen" macht einige Sachen richtig, versagt aber darin, einen spannenden Plot aufzubauen, versinkt in gigantischen Logiklöchern und vorhersehbaren, überspitzten Wendungen.
Note: 4+
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