Nach seinem verheerenden Streit mit Chuck (Michael McKean) hat Jimmy McGill (Bob Odenkirk) eine Auszeit genommen und sich letztendlich dazu entschieden, auch moralisch flexible Wege einzugehen. Die Auszeit lebt er in einem kleinen Urlaub aus, wobei er auch seine alte Flamme und Kollegin Kim (Rhea Seehorn) für manch einen kleinen Trick begeistern kann. Als Jimmy merkt, dass ihm das Fläzen nicht gut tut, beschließt er, in die Welt der Anwälte zurückzukehren und kann mit Pauken und Trompeten gleich einen ordentlichen Satz landen, der ihm manch eine Tür öffnet. Unterdessen schlägt sich Mike (Jonathan Banks) mit einem aufmüpfigen Klienten herum, der dessen Hilfsdienste nicht anerkennen will und daher in Probleme mit dem Drogendealer Nacho Varga (Michael Mando) hineinrutscht. Da sich diese Misere auch auf Mike auszuweiten droht, muss der ehemalige Polizist eingreifen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen...
"Breaking Bad" war vom rein dramaturgischen Aufbau schlichtweg eine meisterhafte Angelegenheit. Jede Staffel und auch die ganze Serie an sich liefen mit stetig ansteigendem Tempo auf einen großen Höhepunkt hin - eine verflixt runde Geschichte, die über fünf Seasons hinweg immer besser erzählt wurde und dabei ein stimmiges Gesamtergebnis abgab, bis hin zum finalen Showdown. Nun ist es nicht ratsam, "Better Call Saul" mit der Originalserie zu vergleichen. Denn obwohl beide nun mal in der gleichen Geschichte spielen und von den gleichen Autoren stammen, verbietet sich der Vergleich angesichts der Tatsache, dass das Prequel rund um den gewieften Autoren Saul Goodman (beziehungsweise hier noch immer Jimmy McGill) ein ganz anderes Genre und somit auch einen ganz anderen Ton anschlägt. Und trotzdem: Der große Bruder aus anderen Dingen machte seine Sache eben so gut, dass man sich manchmal wünscht, "Better Call Saul" würde zumindest in diesem Aufbau ähnlich vorgehen. Statt einer im Kern simplen Handlung, die sich immer stärker bis zum Finale aufbauscht, sehen wir hier nämlich mehr oder weniger nur den Werdegang von zwei später in der Originalserie auftauchenden Hauptfiguren. Da fehlt es an dem einen Grundkonflikt, der die ganze Serie ausmacht, weswegen das Gesamtbild nicht unspannend, aber auch längst nicht so perfekt zusammengebaut aussieht.
Das spürt man erneut in dem gewohnten Erzählrhytmus, der betut langsam und außergewöhnlich detailliert ist, selbst in kleineren Subplots. Eigentlich eine wunderbare Abwechslung zu den heutigen Serien, die in komprimierter Episodenanzahl und aus Angst vor der Konkurrenz möglichst schnell ihr Pulver verschießen müssen, bevor die nächste Absetzung droht. Dass die Dinge allerdings erst in den letzten zweieinhalb Folgen dieser Staffel so richtig ins Rollen kommen, wirkt sich etwas negativ auf. Die letzten Episoden beeindrucken mit dramaturgischer Brillanz, wenn viele Puzzlestücke zu einem Ganzen finden und aufgebaute Konflikte entladen werden. Das ist nicht nur für "Breaking Bad"-Hardcorefans ein gefundenes Fressen, da die hier eingebauten Querverweise auf die Mutterserie wesentlich cleverer und stimmiger eingefädelt wurden. Auch für den Plot ist es ein gefundenes Fressen, sobald unser Jimmy MicGill endlich richtig von der Leine gelassen wird. Diesen wahnwitzigen Rhytmus finden die sieben vorigen Episoden nur sporadisch wieder, auch wenn dies im Grunde Jammern auf hohem Niveau ist: "Better Call Saul" ist auch in der zweiten Staffel eine stark geschriebene Anwaltsserie mit dem gewissen Augenzwinkern, cleveren Charakteren, einigen spannenden Plots und wunderbaren Schauspielern. Das gewisse Etwas, diesen Suchtfaktor, den kann die Serie jedoch nicht neu entfachen, denn dafür fehlt es der Season in der ersten Hälfte, wenn sie sich eher durch zahlreiche Handlungen und kleinere Konflikte schlägt, an Schwung.
Es sind im Grunde alles starke Plots, die jedoch nicht immer stark genug ausgespielt werden... oder sie sind einfach nicht originell genug. So spaßig es auch ist, dabei zuzusehen, wie Jimmy McGill durch seine ganz eigenen Methoden diverse Kontrahenten aussticht - muss man darauf wirklich zwei ganze Episoden setzen, die handlungsmäßig darüber hinaus nicht viel zu erzählen haben? Gleiches gilt für den Handlungsstrang rund um Kim, der eher handzahm und vorhersehbar wirkt. Das stärkste Ass im Ärmel ist weiterhin Jimmys Beziehung zu seinem älteren Bruder Chuck, wobei sich auch dieser Konflikt bisweilen arg im Kreis dreht. Auffälliger wird indes, dass der stark vom Rest losgelöste Plot rund um Mike Ehrmantraut der spannendere und intensivere ist, der im direkten Vergleich aber auch weniger Raum einnimmt. Das soll nun nicht zu kritisch klingen, denn auch Jimmys Haupthandlungsstrang hat in jeder Episode mindestens zwei oder drei geniale Momente... aber dazwischen auch eine ganze Menge Leerlauf. Durch einige starke Cliffhanger am Staffelende zu beiden Seiten darf man darauf vertrauen, dass "Better Call Saul" solcherlei bremsende Seile kappen wird, um bald Vollgas zu geben. Wenn das geschieht, werden wir vielleicht über diese noch etwas ruhigere, gesittetere Staffel froh sein, denn (und das gilt es im Vergleich doch noch mal festzuhalten) "Breaking Bad" steigerte sein Tempo ja auch erst sehr plötzlich kurz vor der Serienhalbzeit. Und wie das weiterging, das wissen wir noch zu gut.
Fazit: Der langsame Erzählrhytmus gereicht den sich hier etwas im Kreis drehenden und oftmals nicht ausreichend spannenden Plots nicht immer zum Vorteil. Es finden sich weiterhin zahlreiche, geniale Momente, die über den Standard einer jeden Anwaltsserie hinausgehen, doch dauert es diesmal sehr lange, bis die zweite Staffel rund um Walter Whites gewieften Anwalt wirklich in Schwung kommt.
Note: 3
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