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Gesellschaftskritik als stumpfe Baller-Orgie: Filmkritik zu "Gamer"

Der exzentrische Milliardär Ken Castle (Michael C. Hall) hat mit der Erfindung des Online-Games "Slayers", bei welcher echte, zum Tode verurteilte Verbrecher als Spiel-Avatare genutzt und von erfahrenen Gamern durch Kriegsgebiete gesteuert werden, die Welt verändert. Als bislang einzigem Verbrecher ist es John Tillman (Gerard Butler), bekannt als "Kable", gelungen, so viele Runden des Spieles unbeschadet zu überstehen, dass er sich bald seine Freiheit erkaufen könnte. Im Team mit dem siebzehnjährigen Gamer Simon (Logan Lerman) stellen sich Kable jedoch immer mehr Hürden in den Weg, je näher er seiner Begnadigung und somit der Rückkehr zu seiner Familie kommt... denn Castle selbst ist nicht erfreut darüber, dass jemand sein Spiel überleben könnte.

Die Gesellschaftskritik soll hier aus allen Poren kriechen und wird dem Publikum mit solch einer überzogenen Wucht aufs Brot geschmiert, dass man glatt meinen könnte, die Macher würden dieses für strunzblöd halten. Natürlich spielen sie mit einer Zukunftsversion, in welcher die Menschheit so verkommen ist, dass sogar Massenmord als Game-Live-Event übertragen wird - in dieser vollkommen überzeichneten Variante, inklusive einem schmierigen Klischee-Milliardär als Oberbösewicht, bleibt von den potenziellen guten Absichten aber nichts hängen. Jedes Klischee dieser Zukunftsvision wird bis zum Würgen ausgeschlachtet - übergewichtige, eklige Game-Nerds, die sich über jede freigelegte, weibliche Brust freuen bis hin zu Millionen Zuschauern weltweit, die sich an Blut und Gedärm ergötzen. Diese "Warnung" vor einer möglichen Entwicklung unserer Gesellschaft in diese blutrünstige Richtung wirkt so penetrant und aufgesetzt, dass sie wahrscheinlich nur ein Alibi war, um es auf dem Bildschirm richtig krachen zu lassen.
Und das ist prinzipiell auch nur legitim, denn wenn "Gamer" trotz seiner originellen Prämisse eben nicht sonderlich intelligent ist, sondern einfach mal ein wenig rotzige Action-Ballerei abwerfen möchte, tut das erstmal keinem weh. Wenn der knallharte Action-Anteil jedoch im Vordergrund stehen und somit die im Ansatz interessante und fiese Zukunftsversion höchstens zum Vehikel machen soll, muss man sich ernsthaft fragen, warum diese knallenden Szenen so inszeniert wurden. Mark Neveldine und Brian Taylor zeichneten zuvor unter anderem für die beiden durchgeknallten "Crank"-Filme verantwortlich, wo die Inszenierung wie auf einem wahnsinnigen LSD-Trip durchaus zum Aufhänger der Geschichte passte. Diesen inszenatorischen Ansatz verfolgen sie hier nun auch, bieten dabei aber keinen Mehrwert: Die vielen Actionszenen sind bis zum Äußersten zerschnitten, wilde Kamerafahrten ohne Ziel und allerlei Lichteffekte machen die Sichtung zu einer Probe für die Netzhaut. Man mag so die enorme Brutalität des Treibens verschleiern wollen, doch letztendlich führt der wirre Über-Schnitt dazu, dass man irgendwann einfach nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. 
Und das führt dann zu einer gewissen Lethargie: Obwohl ständig etwas explodiert und zerfetzte Leichen zuhauf den Boden pflastern, kümmert es einen mit der Zeit immer weniger, da inszenatorisch keine Abwechslung zu erkennen ist und man der letztlich arg stumpfen Handlung kaum folgen möchte. Ein Actionstar wie Gerard Butler macht mit seinen Muskelbergen und seinem generellen, rustikalen Charme noch das Beste aus seiner ansonsten wahnsinnig einfältigen Rolle, während der Rest des Casts förmlich verschenkt wird. Tiefe wird höchstens behauptet, aber niemals wirklich greifbar gemacht, während die als Antagonisten aufgestellten Charaktere wie Comic-Schablonen daherkommen. Ein interessanter Aufhänger wird mit einer Art Splittergruppe geboten, die offen gegen die menschenverachtenden Spiele Castles rebelliert, doch auch dieser Plot wird letztendlich eher mau fallengelassen. "Gamer" bietet daher an allen Fronten wahnsinnig viel und macht erstaunlich wenig daraus: Viel Action, doch nichts davon bleibt hängen. Viele bissige Zukunftsversionen, doch viel zu penetrant und überzeichnet, um einen Eindruck zu hinterlassen. Viele Charaktere, aber keine Menschen. Das ist ziemlich laut und lahm.

Fazit: Knallharte Action-Orgie trifft auf abgefuckt-pessimistische Zukunftsvision unserer Gesellschaft... ein wirres Spektakel, welches ständig rummst, aber sonst nur überzeichnet und somit wirklich keinen Spaß macht.

Note: 4



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