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Ganz anders, trotzdem klasse: Filmkritik zu "Glass Onion: A Knives Out Mystery"

Der großkotzige Technik-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) lädt einige seiner engsten und langjährigsten Freunde und Weggefährten zu einem Wochenende auf seine kleine Privatinsel ein - dort will er mit ihnen eine Art Krimidinner veranstalten, wobei diese seinen gespielten Mord aufklären sollen. Zu Brons Überraschung findet sich auch der geniale Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf der Insel ein, obwohl Bron an diesen keine der gut versteckten Einladungen verschickt hatte. Blanc wittert darin jedoch nicht bloß einen kleinen Fehler, sondern eine wohl platzierte Falle... denn schließlich haben beinahe alle Anwesenden ein klares Motiv dafür, dem millardenschweren Gastgeber eins auswischen zu wollen. Blanc rechnet mit einem tatsächlichen Mord und natürlich soll er Recht behalten - über Nacht auf der Insel gestrandet müssen sich die gemeinsamen Freunde und der Detektiv mit einem unbekannten Mörder in den eigenen Reihen arrangieren.

Zum zweiten Mal darf Daniel Craig, nach dem erfreulichen Überraschungserfolg von "Knives Out" zu Beginn des Jahres 2020, als schneidiger Privatdetektiv Benoit Blanc ermitteln: Der Streaming-Gigant Netflix hat sich die Rechte an der gesamten Marke gesichert und dürfte mit der langerwarteten Fortsetzung des Kritikerlieblings zum Jahresende einen ganz großen Hit landen. Denn, und das ist mehr als erfreulich mitzuteilen, "Glass Onion" steht seinem genialen Vorgänger in nur wenigen Dingen nach und liefert über etwas mehr als zwei Stunden einen trickreichen, spaßigen und an Wendungen schier übersprudelnden Whodunit-Krimi, der sich gewaschen hat. Fans des Originals, welches damals noch mit einem altmodischen Charme auskam, werden sich zu Beginn erst einmal an den ganz neuen Tonfall gewöhnen müssen, denn aufgrund des (erfrischend) anderen Settings und den deutlich schräger agierenden Nebenfiguren und potenziellen Verdächtigen fällt die charmante Langsamkeit des ersten Teils ein wenig hintenüber. Das amüsiert jedoch nicht nur wegen der überraschend hohen Lacher-Quote, sondern auch weil sich "Glass Onion" durch diesen simplen Kniff sehr wohltuend vom Original abhebt und dabei nicht wie eine maue Kopie des Überraschungserfolges daherkommt.
Rätselfüchse, die gerne ein wenig mitraten, um dabei dem Täter oder der Täterin auf die Spur zu kommen, dürften sich mit diesem Hobby allerdings etwas schwer tun. Denn sobald der zentrale Kriminalfall erstmal wirklich Fahrt aufnimmt, dreht sich der Plot von "Glass Onion" nach einer schlichtweg genialen Wendung noch einmal komplett auf den Kopf, führt die zuvor eingeführten Fährten und ganze Storystränge ad absurdum und baut den gesamten Film quasi von einer ganz anderen Seite auf. Hier zeigen sich zum wiederholten Male die Fähigkeiten des Autors Rian Johnson, der hier nicht nur geschliffene Dialoge auffährt, sondern auch sein Storytelling als eine runde, vertrackte und wahnsinnig spannende Sache verkauft. Da mag man den ein oder anderen Durchhänger in der ersten Hälfte, wenn doch etwas zu uninspiriert auf den klamaukigen Seiten der Nebenfiguren herumgeritten wird und manch ein Charakter aufgrund des schrägen Verhaltens sogar Nervpotenzial offenbart, doch locker verzeihen, wenn bis zum spektakulären und auch emotional treffsicheren Finale jegliche Handlungsstränge so sicher in der Hand gehalten werden. Und auch optisch lässt sich "Glass Onion" nicht lumpen und fährt vor allem beim Setdesign ganz groß auf.
"Keine Zeit zu sterben"-Star Daniel Craig macht es dabei sichtlich Freude, noch einmal in die Haut des leicht arroganten, aber auch wunderbar schelmischen Privatdetektivs zu schlüpfen. Seine Figur macht zwar keine zu große Wandlung durch, doch mit einem leichtfüßigen Comedy-Timing und einer ganz wunderbaren Präsenz verdichtet Craig diesen Charakter erneut und macht jede seiner Spielminuten zu einem absoluten Schauspiel-Genuss. Die prominente Nebenbesetzung macht auf dem Papier nicht einen ganz so großen Eindruck wie noch das Original, wo sich illustre Namen wie Jamie Lee Curtis, Chris Evans, Ana de Armas und Don Johnson nebeneinander tummelten. Unter den neuen Figuren fällt aber allenfalls die doch etwas zu überdreht agierende Kate Hudson negativ auf, während alle anderen immer wieder kleine, feine Ecken und Kanten an ihren Figuren offenbaren dürfen. Ganz so trickreich und clever wie die Nebenfiguren des ersten Teils sind sie zwar nicht geschrieben, da manche von ihnen doch etwas oberflächlich verbleiben, doch das Ensemble rund um "Avengers"-Star Dave Bautista, dem großartigen Edward Norton oder der aus der Serie "Game of Thrones" bekannten Jessica Henwick agiert dabei so spielfreudig, dass man jedem von ihnen mehr als gerne zusieht... auch wenn sie letztendlich alle ein wenig im Schatten des herrlichen Craig stehen müssen.

Fazit: "Glass Onion" mag minimal schwächer sein als das große Original, ist dank des frischen Settings, eines hochspannenden Kriminalfalles inklusive einiger hervorragender Wendungen, eines starken Skripts und nicht zuletzt einem brillant aufgelegten Daniel Craig in der Hauptrolle erneut ein Hochgenuss für jeden Krimi-Fan. Daumen hoch dafür und auf eine hoffentlich nur kurze Wartezeit bis zum sicherlich erscheinenden nächsten Fall.

Note: 2



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