Direkt zum Hauptbereich

Altern ist schwer: Filmkritik zu "Gefühlt Mitte Zwanzig"

Seit sie in den Vierzigern sind, hat die Beziehung zwischen dem mittlerweile erfolglosen Dokumentarfilmer Josh (Ben Stiller) und seiner Frau Cornelia (Naomi Watts), Produzentin und Tochter der vielbeachteten Dokumentar-Ikone Leslie Breitbart (Charles Grodin), ordentlich an Schwung verloren. Dies ändert sich, als beide nach einer Vorlesung Joshs ein junges Paar in ihren Zwanzigern kennenlernt. Besonders der junge Jamie (Adam Driver) ist ein großer Fan von Joshs Arbeit und möchte sich daher unbedingt mit ihm anfreunden. Durch die neue Freundschaft zwischen den beiden Paaren finden Josh und Cornelia die Jugend wieder, die sie in ihrem Leben eigentlich verloren geglaubt hatten... und finden sogar beruflich zu ganz neuen Chancen, die aber auch ihre Tücken haben könnten.

Natürlich macht ein Regisseur wie Noah Baumbach aus einem solchen Stoff, der unter ganz anderen Filmemachern auch ein kunterbuntes und peinliches Hollywood-Gaga hätte werden können, keine standardisierte Komödie mit Holzhammer-Humor. Stattdessen konzentriert er sich auf einen feinen, aber auch nicht zu engstirnigen Blick auf das Älterwerden und den direkten Kontrast mit der oberflächlich verpönten Jugend... bis man erkennt, dass diese sich gar nicht so sehr von den älteren unterscheiden und da sogar eine ganze Portion Neid mitschwingt. Klar, diese Erkenntnisse sind nicht unbedingt neu, doch findet Baumbach in vielen Szenen sehr schöne Wege, diese Generationen nicht nur konfliktreich gegeneinander auszuspielen, sondern sie auch zusammenarbeiten zu lassen. Seine Charaktere passen dabei glücklicherweise nicht in den Klischeetopf, auch wenn einige spätere Konflikte nah an diesem bösen Wort vorbeischrammen. Durch die Figuren, die durchweg lebendig wirken und mit denen wir uns gut identifizieren können, bleibt eine gewisse Soaphaftigkeit gegen Ende aber auch besser stecken als zuvor vermutet.
Die Besetzung hilft indes dabei, diese Charaktere so lebhaft und real wie möglich werden zu lassen. Insbesondere "Mamma Mia"-Star Amanda Seyfried zeigt sich dabei als absolute Idealbesetzung für die Rolle von Jamies Freundin Darby, die von Anfang an aufzeigt, dass die Jugend nichts Magisches haben muss. Sie wirkt sympathisch, aber nicht überfreundlich oder überhoht, sondern wie ein ganz normaler Mensch mit kleinen Problemen und Freuden. Und dass ein Ben Stiller sowieso wie die Faust aufs Auge passt, wenn es darum geht mit feinen Humorspitzen einen sympathischen, aber auch oft tollpatschigen Mann in einer Midlife-Crisis zu spielen, liegt auf der Hand. Die Chemie zwischen den einzelnen Schauspieler*innen stimmt dabei durchweg, wobei sich einer sogar nochmal nach vorne spielt: Schauspiellegende Charles Grodin ist hier in einer seiner letzten Rollen zu sehen und fasziniert mit einer einnehmenden Präsenz - ohne seine stoische Ruhe hätte sein Charakter vielleicht deutlich klischeehafter werden können. So wird er jedoch zu einem der interessantesten, weil facettenreichsten Figuren in einem ohnehin schön austarierten Ensemble.
Nicht immer kann das Skript diesen feinen Blick jedoch halten. Eine Szene, in der alle Beteiligten während einer seltsamen Seance plötzlich damit beginnen, ihren Mageninhalt auszuspeien, hätte man besser verzichtet, kommt hier doch der so berüchtigte Hollywood-Humor zu arg durch. Generell ist "Gefühlt Mitte Zwanzig" immer dann am schwächsten, wenn er sich dann doch mal in die ausgelatschten Konventionen des Genres verirrt. Das passiert zwar selten, fällt dann im Kontrast mit den deutlich besser geschriebenen Szenen aber auch umso mehr auf. Vielleicht hatte man von der Produzentenseite aus ein wenig Furcht, dass der Film ohne die üblichen Komödienelemente, die man bei einer Beteiligung von Ben Stiller und Co. erwartet, beim Publikum durchfallen würde. Solcherlei Spiränzchen hat der ansonsten sehr klug erzählte Film aber eigentlich nicht nötig und verrät sich dabei ein bisschen selbst. Insgesamt bleibt dennoch ein schöner Ausflug in die Welt der Jugend, die austariert und mit viel Herz und Hirn erzählt wird und die üblichen Kitschphrasen ebenso wie ein unglaubwüriges Über-Happy-End glücklicherweise über weite Strecken vermeidet.

Fazit: Schöne Komödie mit sehr feinen, ehrlichen Weisheiten, die zum Glück selten in stumpfe Hollywood-Klischees abrutschen. Trotz einiger unnötiger US-Comedy-Elemente unterhält der Film besonders aufgrund seiner gut geschriebenen Figuren, die von seinem nuanciert agierenden Star-Ensemble dargeboten werden.

Note: 3+



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid