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Malerisch, melodramatisch: Filmkritik zu "Aus der Mitte entspringt ein Fluss"

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die beiden ungleichen Brüder Norman (Craig Sheffer) und Paul Maclean (Brad Pitt) in Montana aufgewachsen - unter den ebenso strengen wie auch liebevollen Erziehungen ihres Vaters (Tom Skerritt), welcher der Reverend der kleinen Gemeinde ist. Seine Söhne lehrt er dabei nicht nur Gehorsam und das Wort Gottes, sondern beschäftigt sie auch mit seiner eigenen, großen Leidenschaft: Dem Fliegenfischen. Schon früh werden Norman und Paul in diesem Sport zu Konkurrenten, wachsen jedoch auch in tiefer Freundschaft auf. Als sie erwachsen werden, trennen sich ihre Wege eine Zeitlang, doch finden sie wieder zusammen. Nicht alles, was ihre Kindheit ausgemacht hat, existiert dann noch.

Robert Redford erschuf diesen Film aus dem Jahr 1992 nach dem gleichnamigen Roman aus den 70er Jahren... und es ist ein Film, der eindeutig in Redfords beeindruckendes Portfolio passt. Der Regisseur verweigert sich den klassischen Drama-Konflikten und zeigt stattdessen ein unaufgeregtes Abbild einer Familie, die miteinander wächst. Große, dramatische Höhepunkte gibt es dabei ebenso wenig wie einen wirklich konsequenten, roten Faden. Manch einer mag dies dann auch als perfektes Beispiel für filmische Langeweile verstehen, denn rund zwei Stunden lang Männern dabei zuzusehen, wie sie im See angeln, Pubs besuchen und auf Tanzveranstaltungen gehen... das dürfte nicht jeder als aufregendes Filmerlebnis verstehen. Ein solches hatte Redford aber natürlich auch nicht vorgesehen, weswegen er lieber auf eine konstante Atmosphäre setzt, die durchaus gelungen ist. Für die großartig komponierten Bilder gab es dann sogar den Oscar, den sich Kameramann Philippe Rousselot in die Tasche stecken durfte: Wie er nicht nur die wunderschönen Naturaufnahmen beherrscht, sondern auch die einzelnen Figuren vorteilhaft in Szene setzt, hat seinen ganz eigenen Stil.
Dass die Charaktere dabei so schwungvoll wirken, haben die Darsteller sicherlich auch Rousselot zu verdanken - eine Szene auf der Tanzfläche einer Kneipe ist so dermaßen gut, aber niemals effekthascherisch gefilmt, dass wir glauben, förmlich in die Figuren eintauchen zu können. Ohne Darsteller*innen, die ihre Sache wirklich gut machen, würde das aber natürlich auch nicht funktionieren. Brad Pitt bewies in diesem Film, mit welchem er noch am Anfang seiner langen Karriere stand, erneut seinen Charme - dass sich daraufhin Millionen von Menschen in ihn verliebten, ist mehr als nur verständlich, denn mit was für einer eloquenten Ausstrahlung er hier auftritt, das sieht man nur selten. Als ein Scene Stealer erweist sich auch "Tränen der Sonne"-Star Tom Skerritt, der als strenger Vater quasi jede seiner Szenen beherrscht, ohne sich dabei zwangsläufig in den Vordergrund zu spielen. Auch dank der gut aufgelegten, nuanciert agierenden Schauspieler*innen gelingt es, dass die Familie Maclean durchweg echt und lebendig wirkt - da braucht es dann wirklich keine altbekannten Drama-Konflikte, die irgendwie noch erzwungene Spannungsspitzen hochtreiben.
Aber natürlich mag das auf den ein oder anderen durchaus kitschig wirken und auch ich konnte mich nicht der Tatsache erwehren, dass mich "Aus der Mitte entspringt ein Fluss" in seiner langsamen, ruhigen Erzählweise irgendwann irgendwann verlor. Mit einem romantisch angehauchten Soundtrack im Hintergrund, mit stets gut gelaunten Charakteren und nur wenigen düsteren Momenten, die rasch wieder zu den Akten gelegt werden, findet sich dabei wenig Material, welches so richtig stark in Erinnerung bleiben will. Redford spielt nicht auf der Klaviatur der Emotionen, er möchte nichts aus seinem Publikum herauskitzeln, sondern mit ihnen einfach nur einen hübschen Blick riskieren. Daran stört sich nicht viel, es wirkt aber auch ein wenig simpel und bisweilen zu schön, um wahr zu sein. Somit also nicht unbedingt ein Film für die Ewigkeit, zugleich aber auch einer, von dem es heute so gut wie gar keine mehr gibt. Denn in Zeiten, in denen sich Filme in ihren dramatischen Untertönen stets gegenseitig übertreffen wollen, ist ein Werk wie dieses, welches einfach nur atmet und zusieht und lauscht, auch eine feine Abwechslung.

Fazit: Unaufgeregter, sattsam ruhiger und manchmal etwas dröger, aber stets atmosphärischer Einblick in eine normale Familie. Das ist filmisch gesehen wertvoll, da besonders Kameraarbeit und Cast hervorragend agieren - es mag aber auch viele Zuschauer*innen geben, die sich aufgrund der fehlenden Dramaturgie ziemlich langweilen werden.

Note: 3



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