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Die Macht des Journalismus: Filmkritik zu "Boston Strangler"

Die USA im Jahr 1962: Die Stadt Boston ist erschüttert über mehrere Morde an alleinstehenden Frauen, die in ihren Wohnungen erwürgt wurden. Die Journalistin Loretta McLaughhin (Keira Knightley) nimmt sich, nachdem sie ihren skeptischen Vorgesetzten Jack Maclaine (Chris Cooper) von der Wichtigkeit der Story überzeugen kann, des Falles an. Dabei entdeckt sie Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fällen, welche Lorettas Story zur wichtigsten der ganzen Stadt macht. Aufgrund der Größe des Falls, der auch die ermittelnden Polizeibehörden alsbald in ein schlechtes Licht rückt, wird Loretta die Investigativ-Journalistin Jean Cole (Carrie Coon) zur Seite gestellt - beide setzen sich als festes Ziel, den wahren Täter ausfindig zu machen. Dabei gerät Loretta jedoch selbst ins Visier des unbekannten Mörders und löst zudem eine wahre Hetzkampagne gegen die Polizei aus...

Eine interessante Mischung aus "Spotlight" und dem Serienkiller-Thriller "Zodiac" liegt uns seit gestern auf dem Streamingdienst DisneyPlus vor - der hat mit dem in der Star-Sektion abrufbaren Krimi "Boston Strangler" nämlich tatsächlich einen sehr feinen Film vorgelegt, der zwar an einigen dramaturgischen Schwächen krankt, insgesamt aber durchweg spannende Unterhaltung liefert. Nach einer wahren Geschichte wird dabei der Aufstieg zweier Journalistinnen erzählt, die sich nicht nur durch eine toxische Männerdomäne kämpfen mussten, sondern auch noch einem berüchtigten Serienkiller auf die Spur kamen, um darüber hinaus eklatante Fehler bei der Polizeiarbeit aufzudecken. Am spannendsten ist dabei weniger die Suche nach dem Killer selbst, die zwar durchaus spannend, aber auch nicht allzu frisch ausfällt - die wenigen Spannungsspitzen haben in diesem Fall etwas Pflichtschuldiges und auch die letztendliche Auflösung des Falls dürfte nur wenige, die sich nicht schon zuvor mit der wahren Geschichte auseinandergesetzt haben, wirklich vom Hocker hauen. Wesentlich interessanter ist der Kampf gegen Windmühlen, den die beiden Frauen ausfechten müssen, wobei ihnen von den Menschen, die eigentlich ihre Verbündete sein sollten, immer wieder Steine in den Weg gelegt werden.
Das hat zu Beginn erstmal einen konkreten Grund: Loretta ist eine Frau und soll deswegen nicht über einen Mordfall schreiben, sondern tunlichst weiter über Styling-Tipps und neu auf den Markt gekommene Toaster. Diese Kritik am damaligen System wird von Regisseur Matt Ruskin zwar etwas plakativ dargeboten, verfehlt im weiteren Verlauf aber seine Wirkung nicht. Umso trauriger, dass gerade diese feministische Komponente im späteren Verlauf der Handlung fast vollständig vergessen wird, je mehr sich der Film zu einem richtigen Serienkiller-Krimi wandelt - da spielt die politische Komponente dann plötzlich gar keine Rolle mehr. Durchweg vorhanden ist jedoch der Gegenwind, den nicht nur Loretta und Jean, sondern auch die Zeitung, bei der sie arbeiten, zu spüren bekommen. Der Kampf gegen die völlig ahnungslose Polizei, die sich in ihrem guten Ruf verletzt fühlt, aber darüber hinaus auch eindeutigen Hinweisen nicht nachgehen möchte, ist aufschlussreich erzählt und sorgt immer wieder für einige schockierende Wendungen. Der griffige Inszenierungsstil von Regisseur Ruskin, der das trostlose Boston der 60er Jahre in farbentsättigte und damit reichlich ungemütliche, bisweilen gar monotone Bilder taucht, tut sein Übriges, um das Tempo angenehm hochzuhalten und immer wieder mit einigen Highlights zu überraschen.
"Official Secrets"-Star Keira Knightley schlägt sich dabei in der Hauptrolle sehr souverän - es mag in der Vergangenheit andere Rollen gegeben haben, in denen sie glaubwürdiger und auch etwas energetischer wirkte, doch auch diese leise Zurückhaltung sagt viel über den enormen Zorn aus, den ihre Rolle dabei immer wieder in sich hineinfressen muss. Selbst etwas unausgegorene Subplots, wie der typische Familienzwist mit dem heimischen Ehemann, werfen Knightley nicht aus der Bahn. Carrie Coon droht jedoch, ihr mit einer schlichtweg faszinierenden Ruhe alsbald den Rang abzulaufen, auch wenn wir über ihre Jean Cole letztendlich enttäuschend wenig erfahren. Chris Cooper hat in der Nebenrolle als Lorettas erst engstirniger und schließlich immer mehr zwischen den Stühlen sitzender Zeitungschef leider nur recht wenig zu tun. Innerhalb der klaren Inszenierung des Regisseurs kann der Cast aber immer wieder bestechende Akzente setzen und hält den Plot, der erst in der zweiten Hälfte von ein paar kleinen Längen gedehnt wird, ziemlich gut am Laufen. Das ist dann zwar nicht der ganz große Wurf, aber definitiv ein Streaming-Original, welches sich im Portfolio von Disney Plus durchaus sehen lassen kann.

Fazit: Der feministische Hauptton geht in der geradlinigen, zweiten Hälfte leider sehr arg unter, der Serienkiller-Plot bleibt jedoch trotz altbekannter Spannungsspitzen ziemlich packend. Das geht dann zwar zu selten in die Tiefe, ist aber aufschlussreich, spannend inszeniert und auch mit einigen netten Seitenhieben versehen - ein kleiner, feiner Krimi.

Note: 3+ 



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