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Wie ein zweistündiger Werbeclip: Filmkritik zu Til Schweiger's "Lieber Kurt"

Seit ihrer Trennung teilen sich Werbetexter Kurt (Til Schweiger) und Jana (Jasmin Gerat) das Sorgerecht für ihren gemeinsamen, sechsjährigen Sohn (Levi Wolter), der ebenfalls Kurt heißt. Gemeinsam mit dem Kind und seiner neuen Freundin Lena (Franziska Machens) ist Kurt gerade dabei, ein neues Haus zu beziehen, wobei die Renovierungsarbeiten die dreiköpfige Familie ordentlich auf Trab halten. Dann kommt der kleine Junge jedoch bei einem Unfall auf dem Schulgelände plötzlich ums Leben. Kurt fällt in ein tiefes Loch und weiß nicht, wie er sein Leben ohne seinen Sohn noch weiterführen kann. Neben ihm füllt Lena die schwierige Position einer Halb-Außenstehenden aus, die von dem Verlust ebenfalls schwer getroffen ist, jedoch nie genau weiß, wie sie sich gegenüber Kurt und Jana noch verhalten kann oder sollte...

Da zuckt man erstmal zusammen: Til Schweiger, Regisseur solch prolligen Ekel-Krams wie "Klassentreffen 1.0" oder den unsäglichen "Kokowääh"-Filmen, macht einen Film über einen Vater, der sein Kind verliert. Wer Schweigers Werke und seinen Hang zu kitschiger Melodramatik kennt, der ahnt eigentlich, dass das wirklich nichts werden kann. Vielleicht würde die Buchvorlage von Sarah Kuttner aber auch den Anreiz für den Regisseur liefern, endlich mal auf sein Ego zu verzichten und sich dem wirklich lebensnahen Drama zu widmen - zumindest eine kleine Hoffnung war noch da, auch da die Kritiken zu seinem neuesten Film vergleichsweise freundlicher ausfielen als zuvor. Und natürlich hält sich Schweiger mit seinen Eskapaden dann auch teilweise zurück, was angesichts dieses Themas aber auch nicht anders möglich wäre: Als ekelhaft-angeberischen Frauenmagneten inszeniert er sich nur noch in wenigen Momenten, der Fäkalhumor wurde (mit Ausnahme eines generischen Furz-Gags) auch verzichtet und das uneloquente Herumgebumse fährt Schweiger nach dem Auftakt auch wieder herunter. Denn danach geht es eigentlich nur noch um Trauerarbeit und da ist Furzen, Ficken und Prollokram dann auch wirklich fehl am Platze.
Nur weil Schweiger diesen Kram nun aber zwangsläufig weglässt, bedeutet das nicht, dass "Lieber Kurt" automatisch gelungen wäre. Ist er nämlich nicht, da der Film noch immer an den anderen Krankheiten seines Inszenierungswahns leidet, für den ihn seine Kritiker stets so harsch in die Zange nehmen. So fühlt sich der Film nie nach einer ehrlichen Geschichte über Verlust, Trauer und Ohnmacht an, da Schweiger auch diesen Film erneut in einer ekelhaft-aufgesetzten Werbeclip-Ästhetik abgefilmt hat. Ein durchgehend dudelnder, schmalziger Soundtrack mit allerlei kitischen Popsongs, die jede Subtilität im Keim ersticken, noch dazu dauerhafte Mega-Zeitlupen von kullernden Tränen, auf die Knie fallenden Menschen und Vögeln, die in den Sonnenuntergang fliegen. Sowas kennt man von Schweiger, das er jedoch nicht mal bei solch einem sensiblen Thema auf diese geleckten Bilder verzichten und sich lieber auf eine ehrliche, schonungslose Auseinandersetzung konzentrieren mag, ist wirklich schade. Stattdessen wird der Holzhammer durchweg ausgepackt und verfehlt deswegen konsequent das Ziel. Hier fühlt sich nichts echt an, von den darstellerischen Leistungen (mit Ausnahme der überzeugenden, weil nuancierter agierenden Franziska Machens) bis zur Kameraarbeit und den klebrigen Dialogen, die man sich wohl aus den üblichen Glückskeks-Weisheiten zusammengesammelt hat.
Schweiger schüttet quasi einen Topf der überzogenen Emotionen über unseren Köpfen aus, damit wir ja doch etwas fühlen. So ist der im Handlungszentrum stehende Junge (wie üblich bei diesem Regisseur) ein neunmalkluges, stetig palaverndes und kalauerndes Kind, welches alle Eltern um sich herum mit seinen Witzen zum Lachen bringt, nie einen Fehler macht und sogar für freche Sprüche belohnt wird... da lacht sogar der Lehrer. Und die Trauer-Klischees erfüllt Schweiger auch mit Bravour, indem er sich in seinem Wahn dann eine Kippe nach der nächsten anzünden, einen Vollbart wachsen und sich in einer Kneipe gar prügeln darf. Diese Ansammlung von manipulativem und bieder inzeniertem Dauer-Kitsch-Szenen ist gerade deswegen so ärgerlich, da Schweiger in einzelnen Momenten beweist, dass er doch noch etwas zu erzählen und manchmal gar einen interessanten Blick auf kleine Dinge hat. So ist die Handlung rund um Kurts Freundin Lena ebenso interessant wie frisch, erfährt letztendlich jedoch viel zu wenig Aufmerksamkeit. Es ist auch spürbar, dass Schweiger dieses Thema als mehrfacher Familienvater am Herzen lag. Wie er es inszenieren soll, sodass es auch ehrlich und unverkrampft wirkt und sein Ego nicht mehr zu arg streichelt, das weiß er jedoch noch immer nicht. Und deswegen guckt sich auch "Lieber Kurt" als maßlos manipulatives Drama, welches aussieht wie ein stundenlanger Werbeclip für ein Reiseunternehmen oder ein Möbelhaus, nur noch angestrengt weg. Klebrig, süß, aus dem Takt geraten und vollkommen hüftsteif - ein typischer Schweiger-Film also, nur ohne die widerlichen Kotz-und-Kack-Eskapaden der Vorjahre.

Fazit: Auch aus diesem sensiblen Thema zaubert Schweiger wieder eine unreale Werbeclip-Ästhetik voller klebrigem Kitsch und überkandidelten Tränendrückern. Obwohl man merkt, dass ihm das Thema am Herzen liegt, feuert Schweiger mit seiner banalen Inszenierung wieder voll am guten Geschmack vorbei.

Note: 4-



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