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Worte suchen: Filmkritik zu Ed Harris' Western "Appaloosa"

Im Jahr 1882 haben der gefürchtete Verbrecher Randall Bragg (Jeremy Irons) und seine Bande aus schießwütigen Männern das kleine Städtchen Appaloosa fest im Griff - gar so fest, dass sie auch einfach mal drei Deputys über den Haufen schießen, die zwei der Männer festnehmen wollen. Da sie sich der Situation nicht mehr gewachsen sehen und weitere Gewalttaten befürchtet werden, heuern die Stadtoberen die Revolvermänner Virgil Cole (Ed Harris) und Everett Hitch (Viggo Mortensen) an: Sie sollen Bragg endlich festsetzen. Dabei haben Cole und Hitch jedoch auch eigene Wünsche im Gepräck, die sich besonders auf eine Änderung des hiesigen Gesetzesentwurfes beziehen und den beiden dabei weitestgehend freie Bahn bei der Jagd nach Bragg schaffen würden. Auf der Suche nach dem Verbrecher stößt mit Allie (Renee Zellweger) auch eine Frau an die Seite der beiden Männer... und sorgt dabei für mächtig Zwietracht.

Der Western gilt seit mehreren Dekaden praktisch als tot. Nun sind knurrige Männer, die auf Pferden reiten, Frauen rumkriegen und Bösewichter aus knallenden Revolvern durchlöchern, auch nicht mehr unbedingt zeitgemäß, doch ließe sich dieses Genre sicherlich auch noch irgendwie relevant in die heutige Zeit transportieren. In den Jahren 2000 und 2003 verschafften die Regisseure Ridley Scott und Gore Verbinski mit "Gladiator" bzw. "Fluch der Karibik" ebenfalls zwei totgesagten Genres redlich frischen Wind... und sorgten dabei sogar für zahlreiche Nachahmer. Das Western-Genre hat Regisseur Ed Harris, der hier auch die Hauptrolle bekleidet, mit seinem Werk "Appaloosa" nun weder revolutioniert noch zum erneuten Leben erweckt - tatsächlich war das Interesse so marginal, dass es der Film in Deutschland nicht mal in die Kinos schaffte und das im Jahr 2008, als größere Produktionen eben noch nicht deutlich schneller an den nächsten Streamingdienst verscherbelt wurden. An einer Variante eines Westerns, die eher in moderne Sehgewohnheiten passt, hatte Harris aber auch offensichtlich kein Interesse - stattdessen kommt sein Film in jeglicher Hinsicht klassisch daher.
In "Appaloosa" wird daher ganz nach alten Traditionen in staubigen Saloons abgehangen, es wird viel geritten, es gibt hübsche Frauen (die auch nur dazu da sind, um die knurrigen Männer zu bezirzen oder Zwietracht zwischen ihnen zu säen), weite Steppen und natürlich auch ein echtes Revolver-Duell. Ein paar Wendungen, die man mit viel Liebe noch als unkonventionell beschreiben könnte, traut sich zwar auch Harris zu, doch verbleibt der Fokus wirklich auf einer ganz klassischen und geradlinigen Geschichte: Da der Bösewicht und da die Helden. Überraschungen gibt es dabei wenige und wenn gestalten sie sich daraus, dass das Klischee des unkaputtbaren Westernhelden auch mal sinnvoll gebrochen wird. Daraus resultiert eine stimmige Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren, die die beiden "A History of Violence"-Stars Ed Harris und Viggo Mortensen mit kernigen Performances bereichern können. Beiden nimmt man ohne mit der Wimper zu zucken ab, dass sie schon lange miteinander arbeiten und deswegen eine innige, freundschaftliche Beziehung zueinander aufgebaut haben. Bezeichnend ist dabei eine Szene, in welcher Harris' Virgil Cole in einem Saloon die Beherrschung verliert: Mortensen agiert dabei so natürlich, als wüsste er ganz genau, woher dieser Ausbruch kommt.
Und trotzdem: Sonderlich aufregend ist das auf Dauer nicht. Obwohl die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den beiden Hauptfiguren immer wieder eine meist wortlose und dadurch recht angenehme Charaktertiefe anteasen, so bleibt der Plot an sich doch vollkommen vorhersehbar. Es hat etwas für sich, einen solch klassischen Film in unserer heutigen Zeit nochmal zu sehen, doch ein wenig mehr Mut zur Ambivalent hätte man sich durchaus zutrauen können. So ähnlich wie Virgil Cole in seinen langen Reden stets nach Worten sucht, so scheint auch "Appaloosa" immer wieder herausfinden zu wollen, was er über den Western denn noch zu erzählen hat. Das Ergebnis: Gar nicht mal so viel, weswegen Harris' Regiearbeit bestenfalls achtbar, aber sicherlich nicht herausragend ist. Hinter der Kamera werden dabei ein paar stimmungsvolle Bilder erschaffen, die man so oder so ähnlich aber auch schon zigfach in anderen Western-Abenteuern gesehen hat. Einige Hänger in dem ohnehin eher zahmen Plot gibt es zwischendurch auch und diese gehen zumeist aufs Konto der einzigen, wirklich wichtigen Frauenfigur - denn hier obsiegen die Klischees dann so richtig und Renee Zellweger agiert in der Rolle der kecken Allie auch recht überzeichnend.

Fazit: Ein durch und durch klassischer Western, der allenfalls durch die fein gezeichneten Hauptfiguren ein wenig an Strahlkraft gewinnt. Den Rest kennt man: Der Plot ist frei von jeglicher Überraschung, die inszenatorischen Details sind altbekannt und funktionieren eher über einen nostalgischen Faktor. Das fügt dem Genre dementsprechend nichts Neues hinzu und ist darüber hinaus auch nur selten wirklich aufregend.

Note: 4+



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