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Bei den Oscars übergangen: Filmkritik zu "The Woman King"

Im Jahr 1823 in Westafrika: Das Königreich Dahomey wird von der übermächtigen Imperiumsmacht der Oyo beherrscht. Ghezo (John Boyega), der König von Dahomey, wird mit großen Abgaben an die Männer gezwungen, die sein Reich besetzen - zugleich ist das Land von der Sklaverei heimgesucht worden. Ghezo's Generalin Nancisca (Viola Davis) möchte diesem Treiben ebenso wie Ghezo selbst seit jeher ein Ende setzen: Sie führt ihrerseits die mächtige und rein weiblich aufgestellte Elite-Truppe der Agojie an, die gegen die feindlichen Besatzer in den Kampf ziehen und dafür eine harte Ausbildung über sich ergeben lassen müssen. Auch die junge Nawi (Thuso Mbedu), die gegen ihre Familie rebellierte, tritt den Agojie bei. Just zu diesem Zeitpunkt spitzt sich der Konflikt mit den Oyo zu, als Nancisca in dem sie führenden Krieger Oba Ade (Jimmy Odukoya) ihren Vergewaltiger wiedererkennt...

Zur Oscarverleihung 2023 wurden (wie im Grunde in jedem Jahr) Stimmen bezüglich Filmen laut, die von der Academy zu Unrecht übergangen oder einfach komplett vergessen worden sein sollen. "The Woman King" wurde dabei besonders oft erwähnt - sicherlich auch, weil dessen politische Botschaft zu heutigen Zeiten sehr viel wichtige Relevanz hat und der Main Cast zudem ausschließlich aus schwarzen, starken Frauen besteht. Für meinen Geschmack reicht eine kraftvolle Botschaft aber nicht aus, um auch automatisch bei den Oscars mitzumischen - der Film, der diese transportiert, muss schlicht und einfach auch gut genug sein. Und das ist "The Woman King" nicht: Es ist ein guter Film, aber sicherlich keiner, der zumindest in den Hauptkategorien oscarwürdig gewesen wäre, denn da hat es im vergangenen Jahr deutlich bessere Werke gegeben, die teilweise auch nominiert oder gar ausgezeichnet wurden. Generell hätte man sich, angesichts der Bildgewalt, die hier herrscht, durchaus Nominierungen in den Bereichen Kostüm, Make-Up oder Szenenbild ausmalen können, denn rein optisch und aufgrund der Detailverliebtheit der einzelnen Sets gibt es hier einiges zu sehen. 
Darüber hinaus bietet "The Woman King" eine spannende Geschichte, die man so oder so ähnlich aber auch schon oft besser erzählt gesehen hat... mit dem Unterschied, dass die Heldinnen nun Frauen sind, die mit den gegen sie in den Kampf ziehenden Männern durchaus den Boden wischen. In den knackigen und teils sehr brutalen Kampfszenen hat das einen hohen Unterhaltungswert, denn diese sind durch die Bank weg spektakulär inszeniert. Auch am Cast gibt es nichts auszusetzen, obwohl es schon sehr auffällig sind, dass alle Männer hier mit sehr, sehr eindimensionalen Klischee-Bildern zurechtkommen müssen. Da können nicht mal veritable Schauspieler wie John Boyega oder "Harry Potter"-Star Hero Fiennes-Tiffin genug reißen, um aus diesen sehr eng gestrickten Rollen auszubrechen. Das ist aber sicherlich auch gewollt, gehört die Bühne hier doch den Frauen und die machen ihre Sache erwartungsgemäß außerordentlich gut. Allen voran natürlich die hier mal wieder wahnsinnig kraftvoll auftretende Viola Davis, die nicht nur die spannendste, sondern auch die tragischste Figur des Films mit einer grandiosen, vielschichtigen Ausstrahlung zum Leben erweckt. Neben den Marvel-Stars Lashana Lynch und Sheila Atim sticht aber vor allem Newcomerin Thuso Mbedu hervor, die als eigentliche Hauptdarstellerin mit viel Präsenz in Erinnerung bleibt.
Die Geschichte hingegen hätte auch mit etwas weniger Pathos erzählt werden können. So wäre vielleicht nicht der Eindruck eines doch sehr geradlinigen Hollywood-Blockbusters entstanden, der einfach zu glatt und poliert aussieht, um die wahre Härte des Settings so richtig spürbar zu machen. Gerade die Dialoge entpuppen sich als arg formelhaft und kommen nur selten über aufbauende Reden oder kleine Floskeln hinaus. Das macht die Geschichte auf diese Art und Weise arg durchsichtig und nur selten wird sich am Wegesrand getraut, die vertrauten Pfade des Historien-Epos ein wenig zu verlassen. Einmal geht aber auch das so mächtig schief, denn der Versuch, eine Art sehr seltsamer Romanze, die dann ziemlich hektisch wieder fallengelassen wird, mit einem unverschämt hübschen Kerl zu etablieren, stellt einen harschen, unpassenden Kontrast zum Rest des Films dar. Innerhalb der 135 Minuten gibt es auch manch eine Länge zu beklagen, die nicht von den optischen Vorzügen der Sets ausgeglichen werden kann - ein weiteres Zeichen dafür, dass die fiktive Geschichte zwar Reize bietet, aber eben doch etwas zu formelhaft ausgefallen ist. "The Woman King" ist somit definitiv kein schlechter Film, aber auch keiner, an den man sich noch sehr lange erinnern wird... und damit nicht auf einer Stufe mit ähnlich gearteten Historienwerken wie "The Last Samurai" oder "Königreich der Himmel" beispielsweise.

Fazit: Geradliniges Epos, welches an etwas zu glatten Figurenzeichnungen und einer pathetisch aufgezogenen Geschichte krankt. Das ist dramaturgisch nicht ohne Reiz und optisch oftmals nahezu erhellend, aber auch nicht der ganz große Wurf.

Note: 3



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