Direkt zum Hauptbereich

Deutsche Oscar-Hoffnung: Filmkritik zu "Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte"

Im Jahr 1913 kommt es in einem protestantischen Dorf Deutschlands zu einigen mysteriösen Vorfällen. Der Gemeindearzt (Rainer Bock) stürzt aufgrund eines gespannten Drahtseiles von seinem Pferd und verletzt sich schwer, eine Frau stirbt bei einem Arbeitsunfall und ein Junge wird schwer missbraucht. Der örtliche Pastor (Burghart Klaußner) versucht an die unbekannten Täter zu appellieren, doch können diese auch nach mehreren Wochen nicht ausgemacht werden. Dem aufmerksamen Lehrer (Christian Friedel) des Dorfes fällt dabei auf, dass sich die Kinder seiner Schulklasse anders verhalten als üblich und beschließt, der Sache nachzugehen. Merklich wirken sich auch die Erziehungsmethoden der strengen Eltern auf das Verhalten der Kinder aus...

Der viel beachtete Film von Regisseur Michael Haneke ging im Jahr 2010 für Deutschland als bester Auslands-Film ins Oscarrennen und wurde schließlich mit zwei Nominierungen für den begehrten Goldjungen bedacht. Und auch wenn es letztendlich nicht für eine Prämierung reichte: Hanekes Werk über ein protestantisches Dorf und deren Kinder und Eltern ist aufgrund seiner Inszenierung, vor allem aber auch aufgrund des aufrüttelnden Gedankenguts ein ganz starker Film geworden. Haneke stellt dabei nicht nur die Frage, sondern gar schon die Behauptung auf, ob die damaligen Erziehungsmethoden und der hohe Druck, der auf den Kindern lastete, einen Hang zur Ideologie begünstigt oder gar zwanghaft herbeigeführt haben. Die Geschichte lehrte uns, dass die im Film gezeigten Kinder in zwei Jahrzehnten Nazis sein werden - dementsprechend verfolgen wir deren Werdegang und das, was sie in ihren Elternhäusern durchmachen müssen und verbinden es quasi selbstständig mit dem, von dem wir wissen, was sie in der Zukunft sein werden.
Haneke agiert dabei klug und berechnend und fügt sich nicht einer durchsichtigen Dramaturgie. Sein Film ist historisch relevant, lässt aber auch genug Raum für eigene Beobachtungen. Er inszeniert seinen Film in komplettem Schwarz-Weiß - laut eigener Aussage, weil er eben diese Farben mit der damaligen Zeit verbindet. Das gestaltet sich wirkungsvoll: Die Bilder von "Das weiße Band" haben eine fast schon magnetische Anziehungskraft. In Verbindung mit der Abwesenheit einer musikalischen Untermalung sowie dem hervorragenden Gespür für die Kameraarbeit (die ebenfalls oscarnominiert war) entsteht dabei ein Film, der uns förmlich eine Zeitreise durchstehen lässt. Diese ist, aufgrund der physischen und vor allem der psychischen Gewalt der damaligen Zeit, nicht immer leicht zu ertragen, erfüllt jedoch ihren Zweck. Die Behauptung, die Haneke hier aufstellt, wird von bedeutungsschwangeren, aber niemals effekthascherischen Szenen getragen, die ein anderes Licht auf die deutschen Kinder werfen - keine Entschuldigung, aber eine Erklärung, die sich erschreckend rund anfühlt.
Noch dazu ist "Das weiße Band" bis in die kleinsten Nebenrollen herausragend besetzt. Haneke verzichtete auf große Stars und gab teils vollständig unbekannten Gesichtern den Vorzug - ihr Spiel ist durchweg glaubhaft, nuanciert und teilweise erschreckend real. Man kann dem Regisseur jedoch durchaus vorhalten, dass er innerhalb seiner Geschichte, die ein wenig wie ein Krimi aufgebaut ist, die Katze zu früh aus dem Sack lässt. Auch aufgrund der einleuchtenden Thesen, die er aufstellen will und der mehr als eindeutigen Hinweise, die er auf dem Weg streut, ist schon sehr früh klar, wer eigentlich hinter den bösartigen Vorfällen steckt. Auch ist die Laufzeit von rund 138 Minuten bisweilen ein wenig zu gut gemeint, obwohl man sich selbst mit einigen Längen noch wunderbar in den toll komponierten Bildern und den geschliffenen, großartig dargestellten Dialogen verlieren kann. Kein einfacher Film, der es uns aber auch nicht einfach machen will und dabei mit intelligenten, nichts desto trotz jedoch auch schweren Weisheiten und Enthüllungen konfrontiert.

Fazit: "Das weiße Band" lebt vor allem von der großartigen Regie von Michael Haneke und dem intelligenten, düsteren Drehbuch aus seiner Feder. Cast, Kameraarbeit, Ausstattung - alles ist auf dem höchsten Niveau und hält die bedrückende Geschichte eines protestantischen Dorfes vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in betörenden Schwarz-Weiß-Bildern am Leben.

Note: 2-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid