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Fall 39

Vielleicht sollten Protagonisten doch mal ein bisschen besser aufpassen, was für Kinder sie sich ins Haus holen. Filmgeschichtlich gab es da bereits doch jede Menge Warnsignale, nicht zuletzt auch den großartigen Horror-Thriller "Orphan" - Terrorkinder können uns nicht nur den Schlaf rauben. Und dennoch machen allzu naive und liebenswerte Protagonisten den Fehler, sich ein Kind ins Haus zu holen, dass man sich besser genauer angeschaut hätte, so auch die engagierte und überarbeitete Sozialarbeiterin Emily Jenkins. Ihr Fehler führt dann leider auch zu einem recht mauen Film namens "Fall 39", der nur in wenigen Momenten spannend oder gar angsteinflößend ist...

FALL 39


Die Sozialarbeiterin Emily Jenkins (Renee Zellweger) erstickt bereits förmlich in Arbeit, als ihr Vorgesetzter Wayne (Adrian Lester) ihr einen neununddreißigsten Fall aufbrummt: Die zehnjährige Lillith Sullivan (Jodelle Ferland) wird von ihren Eltern (Callum Keith Rennie, Kerry O'Malley) terrorisiert, sowohl physisch als auch psychisch. Als Emily Zeuge wird, wie Mr. und Mrs. Sullivan versuchen, ihre eigene Tochter zu töten, greift sie ein, bringt das Mädchen aus dem Haus und nimmt sie nach einem anstrengenden Prozess bei sich zu Hause auf, um ihr ein sicheres Heim zu bieten. Dies soll sich allerdings als großer Fehler herausstellen, als Emily schließlich herausfindet, dass die Eltern nicht grundlos versuchten, den Tod des kleinen Mädchens zu erreichen...

Und somit befinden wir uns dann in einem neuen Kapitel der altbekannten Geschichte des letztendlich eben doch nicht so niedlichen Mädchens, welches beginnt, ihre Mitmenschen auf recht grausame Art und Weise zu terrorisieren. Der Vorzeige-Schocker "Orphan" zeigte, wie man die Spannungsschraube gerade auf manipulative Weise immer wieder andrehen kann, "Fall 39" gelingt das im Gegensatz aber längst nicht so gut, da er niemals die Summe seiner Teile wird. Zu Beginn nimmt sich der Film noch angenehm viel Zeit, um Charaktere und Stimmungen zu etablieren und auch wenn man dabei einige Male zu tief in die Klischee-Kiste greift, zündet das langsame Tempo des Werks. Trotz einiger Ausflüge ins Surrealistische bleibt "Fall 39" dem Realismus über weite Strecken angelehnt, was dem Werk eine teils schneidende Atmosphäre verpasst, die der deutsche Regisseur Christian Alvart in stimmungsvolle Bilder packt. 
Leider geht der Film diesen Weg aber später nicht weiter und stößt schließlich immer wieder übers Ziel hinaus. Da wird ein Kind dann eben nicht einfach nur versucht umzubringen, nein, es wird gleich in den Ofen gesteckt... und selbst wenn einige der Tötungsszenen sich dadurch versuchen aus dem überzeichneten Wahnsinn herauszureden, dass man dabei mit dem Verstand des Opfers spielt, wird klar, dass weniger hier doch mehr gewesen wäre. "Fall 39" versucht ab einem bestimmten Punkt, nach gut einer Dreiviertelstunde der beinahe zweistündigen Laufzeit, auf Teufel komm raus zu schocken und das gelingt, trotz des Verzichts auf banale Jumpscares, leider nicht so ganz. 
Die Schuld kann man dabei auch dem im Kern sehr einfallslosen Plot geben, der kaum einen Horrorkenner noch ansatzweise hinter dem Ofen (haha!) hervorlocken wird. Kenner des Genres werden früh wissen, wie der Hase denn nun läuft und der Film bemüht sich später auch nur noch selten um wirklich überraschende Wendungen - er läuft irgendwie einfach zu Ende, bis zu einem vollkommen überhasteten Schluss, dem ein zumindest diesmal nicht überlanges und entnervendes Finale vorausgegangen ist. Es wäre falsch zu sagen, dass "Fall 39" trotz seiner lauen Handlung langweilen würde, dafür erschafft Regisseur Alvart viel zu oft einige gekonnte Spannungsspitzen... er schafft es nur nicht, eine Bedrohung zu erschaffen. 
Die Darsteller überzeugen dabei dann auch weniger: Es wird schon früh offensichtlich, dass sich die für "Unterwegs nach Cold Mountain" oscarprämierte Renee Zellweger im falschen Genre bewegt, viel zu bemüht und unglaubwürdig wirkt ihr ständig vor Schrecken und Leid verzerrtes Gesicht. Die horrorerprobte Jodelle Ferland agiert etwas intensiver, trotzdem nimmt man ihr die Rolle auch nicht ab, da sie mehrfach viel zu gewollt auf den Zug des aufmüpfigen, manipulativen Kindes aufspringt - lieber hätte ich hier die ehemals für die Rolle angedachten Isabelle Fuhrman oder Chloe Grace Moretz gesehen. Weitere bekannte Namen finden sich in Nebenrollen und während "Silver Linings"-Star Bradley Cooper auch wegen weniger Laufzeit keinen großartigen Eindruck hinterlässt, ist es überraschenderweise "Snow White and the Huntsman"-Zwerg Ian McShane, der als Polizist mit Herz, Hirn und Glaube die Sympathien der Zuschauer auf sich versammelt.

Fazit: Mauer Gruselthriller, der anfangs langsam und atmosphärisch interessante Charaktere erschafft, um später im Möchtegern-Horror zu versinken. Die Handlung verläuft vorhersehbar und banal, zu selten kann wirkliche Spannung erschaffen werden... was auch an dem lauen Skript und den nicht durchgehend überzeugenden Darstellern liegt.

Note: 4+




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