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Die Farbe des Horizonts

Sowohl der kitschige, deutsche Titel als auch das unmissverständliche Plakat, auf welchem zwei wunderschöne, junge Menschen über einem Sonnenuntergang die Stirn aneinanderlegen, deuten doch auf den nächsten, schmalztriefenden Film hin: Liebe, Liebe, Liebe, Drama, Drama. Tatsächlich steckt aber doch etwas mehr in dem Plot von "Die Farbe des Horizonts", der ein sich erst vor kurzem gefundenes Liebespaar auf eine Abenteuerreise schickt, die letztendlich eben nicht nur schön ist, sondern die Menschen sogar vor große Entscheidungen stellt. Ob Shailene Woodley und Sam Claflin in ihrem neuen Werk überzeugen, habe ich mir dann im Kino angesehen...

DIE FARBE DES HORIZONTS


Die vierundzwanzigjährige Tami Oldham (Shailene Woodley) reist alleine durch die Welt und genießt es, niemals zu wissen, wohin es sie als nächstes verschlägt. In Tahiti lernt sie den Segler Richard Sharp (Sam Claflin) kennen - die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Als Sharp von zwei Freunden das Angebot erhält, gegen zehntausend Dollar ein Segelboot nach Kalifornien zu steuern, willigen sie ein, wollen sie von diesem Geld doch weiter um die Welt reisen. Dabei geraten Tami und Richard jedoch in einen fatalen Strum und werden mitten auf hoher See schiffbrüchig. Sie befinden sich auf keiner Handelsroute, es ist kein Land in Sicht... doch Tami will nicht aufgeben und bemüht sich, den Kahn wieder flott zu machen.

Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit und wurde lose nach einem Erfahrungsbericht verfilmt. Anders als es der Trailer und auch der überkitschte Titel suggerieren, wird es hier allerdings nicht allzu schmalzig. Natürlich, im Kern ist "Die Farbe des Horizonts" (der Titel beruft sich auf eine Diskussion zwischen Tami und Richard, welche Rot-Farbe der Horizont beim Sonnenaufgang darstellt) eine Liebesgeschichte und besitzt dabei auch manch eine Szene, die ein Romantik-Hasser als entnervend auffassen könnte. Trotzdem begeht "Everest"-Regisseur Baltasar Kormakur nicht den Fehler, allzu kitschig zu werden und nähert sich den beiden Menschen auf dem Boot mit genügend Herz und Wahrheit an, um sie nicht zu hölzernen Abziehbildern zu machen. 
Generell wendet er sich dabei auch nie von seiner Hauptdarstellerin ab - Shailene Woodley ist das Herz und der Anker des Films, tritt in jeder Szene auf und beherrscht den Film auch. Generell ist es überraschend, dass dem Multi-Talent, die damals die Entdeckung des sensiblen Familiendramas "The Descendants" war und sich weiterhin mit der leider abgebrochenen Fantasy-Franchise "Die Bestimmung" sowie der Hauptrolle in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" einen Namen machte, nie ganz in die A-Liga ihres Alters vorstieß, die weiterhin von Emma Stone, Jennifer Lawrence und Emma Watson besetzt wird. Woodley steht diesen Talenten aber nur in wenig nach, überdreht kaum und hat besonders im letzten Drittel einige herausragende Szenen, wenn sie der Wahrheit ins Auge blickt und schier bis zum letzten Augenblick kämpft und über sich hinauswächst. "Fluch der Karibik"-Star Sam Claflin hat an ihrer Seite weniger Augenblicke um zu glänzen, gibt aber ziemlich charmant den verwegenen Abenteurer, der ab einem bestimmten Punkt aber eben recht tatenlos dabei zusehen muss, wie seine Herzdame versucht, den Tag zu retten. 
Passenderweise ist es also ein Film über eine mehr als starke Frauenfigur und dementsprechend hochaktuell und nützlich für Hollywood... und über diese politische Anwendung hinaus betrachtet ist es eben auch ein guter Film. Kormakur erschafft einige höchst intensive Szenen, die auch visuell erstaunlich akkurat sind. Wenn der Sturm über die beiden Protagonisten mit aller Wucht hereinbricht, stockt einem schon kurz der Atem. Blockbuster wie der zeitgleich angelaufene "Skyscraper" können sich davon schon eine Scheibe abschneiden, denn wo dieser im Grunde nur Explosionen an waghalsige Stunts reiht, wird die Grausamkeit der Natur in diesem wesentlich kleineren Drama viel greifbarer. Wir spüren jeden Schlag, wir fühlen quasi den Regen auf unserer Haut, da Kormakurs Inszenierung beinhart agiert. 
Gegen Ende wartet er dann auch mit einer an sich recht überraschenden Wendung auf, die uns den Film noch einmal aus einer neuen Sicht betrachten lässt und sogar das Herz voll und ganz anspricht. Das ist dann zwar nicht sonderlich leise gespielt, verfehlt aber sein Ziel nicht. Als verfehlt kann man allerdings manch eine Entscheidung der Charaktere auffassen - erst nach zweieinhalb Wochen des ziellosen Dümpelns auf hoher See mal nachzuschauen, was sich denn unter den Sitzbänken der Küche befindet, stößt schon etwas seltsam auf und generell hätten die Figuren auch etwas tiefer schürfende Zeichnungen vertragen können. Sonderlich viel erfahren wir, bis auf ihre enorme Abenteuerlust, leider nicht über sie, was Claflin und Woodley aber ausgleichen, die als Liebespaar ordentlich die Funken fliegen lassen, ohne sich in allzu kitschige Fahrwasser zu begeben.

Fazit: Shailene Woodley beherrscht mit einer starken Performance einen packenden Mix aus Liebesgeschichte und Überlebenskampf, der mal ans Herz und dann wieder an die Nieren geht. Auffällig sind die mangelhafte Charakterisierung der Protagonisten, die Inzenierung auf hoher See sticht hingegen positiv hervor.

Note: 3+






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