Direkt zum Hauptbereich

The Call - Leg nicht auf!

Manch einen Job will man einfach nicht ausführen, ganz gleich, wie viel Geld man dafür einheimsen könnte. Mich zum Beispiel sollte man sicherlich niemals in einem Job arbeiten lassen, in welchem in irgendeiner Form Menschenleben von mir abhängen - ich bin mir sicher, dass ich unter dem gewaltigen Druck bereits nach kürzester Zeit zusammenbrechen würde. Umso größer ist mein Respekt vor Ordnungshütern, Ärzten und Feuerwehrmännern, de innerhalb von Sekunden umschalten und eventuell ihr Leben riskieren müssen. Und dann gibt es da natürlich noch weitere Berufsgruppen, die einem ähnlichen Stress ausgesetzt sind und dennoch durchgehend funktionieren müssen: Die Telefonisten des Notrufs. Angesichts dieses wichtigen Jobs hätten sie jedoch einen wesentlich besseren Film verdient als dieser schwache Thriller namens "The Call"...

THE CALL


Jordan Turner (Halle Berry) arbeitet als Telefonistin in der Notruf-Zentrale der Polizei von Los Angeles. Ihr Job ist es, mit den Anrufern zu reden, sie zu beruhigen, den Standort festzustellen und anschließend Streifen zu schicken, die die Situation regeln... bis sie eines Tages einen Fehler begeht, der im Nachhinein ein Todesopfer fordert. Sechs Monate bleibt Jordan dem Telefon fern, bis sie schließlich an einem scheinbar ganz normalen Tag für eine überforderte Kollegin übernehmen muss - die junge Casey Welson (Abigail Breslin) sitzt im Kofferraum eines Autos, wurde entführt und ihr Wegwerfhandy lässt sich nicht orten. Jordan übernimmt das Gespräch und muss in Sekunden reagieren, um die Situation nicht entgleisen zu lassen und diesmal das Leben des Mädchens am anderen Ende der Leitung zu retten...

Man merkt "The Call" schon recht früh an, dass er sich ein wenig biegen und strecken muss, um seine Ausgangssituation, um die es hier nach dem ersten Drittel geht, wirklich so hinzubekommen, dass es einige etwaige Logiklöcher bedeckt. Da müssen schon mehrere absolute Unwahrscheinlichkeiten auf einmal zusammenkommen, um den Plot des Films nicht nach zehn Minuten gleich wieder enden zu lassen, was beinahe unmöglich anmutet, da sich der bösartige Entführer durchgehend ungemein blöde anstellt, beinahe schon darum zu betteln scheint, doch bitte erwischt zu werden. Immerhin agieren die beiden Damen, die über den größten Teil des Films nur per Telefon Kontakt miteinander haben ("Final Call" lässt grüßen), aber auch nicht immer viel cleverer, nutzen die Schwächen ihres Gegners zwar aus, rennen aber auch sehr gerne in seine vorhersehbaren Fallen. 
So ist der Mittelteil, den Casey im Kofferraum des ständig in Bewegung befindlichen Autos verbringt, im Grunde ein spannender Thriller, nutzt einige geschickte Taten und kleine Wendungen... kann aber auch nie so richtig spannend werden, da die Charaktere angesichts einer solchen Notsituation doch arg kopflos und manchmal richtiggehend dämlich agieren. Trotzdem bleibt dies, mit solch logischen Abstrichen, der beste, weil flotteste und intensivste Teil des Films: Die erste halbe Stunde führt die wenigen Charaktere stimmungsvoll ein und zeigt uns den Arbeitsplatz der Notrufzentrale als einen niemals ermüdenden Bienenstock - atmosphärisch ist das gelungen und gibt auch Außenstehenden etwas zum Festhalten, allerdings überzeugt "Happy New Year"-Star Halle Berry als Profi auf diesem Gebiet dann eben doch nur so mittelmäßig, was dem Ganzen leider ein wenig Schwung raubt. 
Damit ist sie ihrer wesentlich jüngeren Kollegin Abigail Breslin also nicht voraus, die als zumeist tatenloses Opfer aber eben auch recht eingeschränkt darin ist - nicht unbedingt eine von Breslins Rollen, die als enorm herausfordernd angesehen werden dürften. Der dritte, wirklich markante im Bunde ist dann der Bösewicht, wobei "Watchmen"-Star Michael Eklund ebenfalls mit Pauken und Trompeten durchfällt. Sein Foster ist zwar sehr böse, aber auch so überzogen psychopathisch und extrem, dass er mehr wie eine Karikatur denn ein ernstzunehmender Antagonist wirkt. 
Die Probleme mit seiner Figur schleppen sich dann auch ins dritte und definitiv schwächste Drittel, wo "The Call" urplötzlich komplett an Boden verliert. Ohne zu viel verraten zu wollen, wendet sich der Film plötzlich von einem schnörkellosen Thriller hin zum absoluten Psycho-Horror. Diese ständigen Anleihen an das Slasher-Genre wirken ungemein gewollt und passen nicht ansatzweise zum Rest des gedeckelten Films - beinahe hat man das Gefühl, nach einer Stunde ein vollkommen anderes Werk zu sehen. Das passt auch dazu, dass die Motive des Entführers weitestgehend schwammig bleiben und auch die restlichen Figuren plötzlich arg out of character handeln. Das soll überraschend wirken, ist innerhalb des überlangen Showdowns und des abgehackten, ziemlich dämlichen Endes aber nur noch blöd und lässt uns mit einigen Fragezeichen und einer gewissen Unzufriedenheit zurück.

Fazit: Die guten Ansätze innerhalb des schnörkellosen und an "Final Call" erinnernden Thriller-Plots werden von manch einem Logikloch und einer unpassend besetzten Halle Berry überschattet, wirklich ärgerlich wird der Film aber erst in seinem überzogenen und überlangen, letzten Drittel, wenn sich ein zuvor rundes Werk zum schwachsinnigen Psycho-Horror mausern will... und dabei auf ganzer Linie scheitert.

Note: 4+




Kommentare

  1. Also mich hat der Film begeistert.
    Aber danke mal wieder an den Steifen erinnert zu werden :D
    Kann man ja mal wieder ansehen

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid