Im zwölften Jahrhundert: Die beiden ehemaligen Jugendfreunde Jean de Courages (Matt Damon) und Jacques LeGris (Adam Driver) werden zu erbitterten Konkurrenten. Während es LeGris gelingt, sich im Ansehen des Königs Karl VI. (Alex Lawther) immer weiter nach oben zu arbeiten, verliert de Courages eben jenes immer weiter und muss vom Volk und den Adeligen Demütigungen ertragen, bis zum drohenden Verlust von Geld und Ruhm. Die größte Demütigung erwartet ihn, als seine Frau Marguerite (Jodie Comer) Jean eines Tages offenbart, dass sie während seiner Abwesenheit vom in ihr Haus eindringenden LeGris vergewaltigt wurde. Während Marguerite seelische Qualen leidet, jedoch beschließt, die Straftat keinesfalls zu verschweigen, sieht de Courages nur seine eigene Ehre verletzt und fordert LeGris zum Duell...
Obwohl Altmeister Ridley Scott im ersten seiner zwei neuen Filme dieses Jahr zu dem Genre zurückkehrt, in welchem er immer wieder moderne Meisterstücke (wenn auch nicht nur) erschaffen konnte, ist "The Last Duel" mitnichten ein neues Historien-Epos wie "Gladiator" oder "Königreich der Himmel". Stattdessen kann man Scotts neuestes Werk problemlos als hochaktuelle, wenn auch nicht immer wirklich treffsicher geschriebene Verfilmung eines MeToo-Falls in der tiefsten Vergangenheit ansehen. Dabei erzählt er die Geschichte gleich aus drei Blickwinkeln, was erst einmal spannend ist, später aber immer mehr Fragezeichen aufwirft. Denn so interessant es auch ist, gerade in kleinen und feinen Details die unterschiedlichen Selbstwahrnehmungen insbesondere der beiden männlichen Hauptfiguren aufzuspüren (beide halten sich für unumstößliche Helden, doch die Wahrheit sieht letztendlich anders aus)... so seltsam ist es am Ende, wenn uns Ridley Scott die Wahrheit doch ganz offen und deutlich zeigt. Man fragt sich, warum wir eine Situation aus drei Blickwinkeln sehen sollen, wenn wir am Ende doch wissen, dass zwei von ihnen gänzlich falsch waren - auch weil sich das erneute Ansehen von teilweise bekannten Momenten auf Dauer nicht langweilig (dafür gibt es zu viel zu entdecken), aber mitunter ein wenig repetitiv anfühlen kann.
Die Message, die uns Scott dabei präsentiert, ist trotz dieses diskutablen Inszenierungsansatzes aber durchweg stimmig und richtig. Dabei schockiert er das Publikum teilweise mit einzelnen Szenen, welche die menschenverachtende, gar stumpfsinnige Behandlung von Vergewaltigungsfällen im zwölften Jahrhundert aufzeigen - wenn es der Ehemann war, der dadurch mehr geschädigt gewesen sein soll, da ein Überfall auf seine Frau als Sachbeschädigung angesehen werden soll; oder dass die anwesenden Richter bei der Vergewaltigung selbstheuchlerisch bezeugen, dass eine Vergewaltigung ja keine Schwangerschaft ermöglichen kann. In unserer heutigen Zeit müssen wir bei solchen Aussagen, die Scott mutig und mit deutlicher Kraft darstellt, zwar schlucken, kommen aber auch nicht umhin, angesichts einer Frauenfeindlichkeit in höchstem Maße einen deutlichen Vergleich zu unserem Heute zu ziehen - und die Unterschiede sind dabei längst nicht so gravierend, wie wir uns das wünschen würden, zumindest nicht in den entscheidenden Details. Man mag mokieren, dass Scott bisweilen ein wenig dick aufträgt, wenn er die menschenverachtenden Werte der damaligen Zeit immer wieder thematisiert oder am Ende ein (herausragend inszeniertes) Mann-gegen-Mann-Duell über die Wahrheit entscheiden soll. Scott dreht sich dabei bisweilen etwas im Kreis, verliert aber die Kraft seiner Aussage nicht aus den Augen, auch wenn man sich hier und da etwas mehr Unstringenz gewünscht hätte, denn der Regisseur knallt uns die unumstößliche Wahrheit doch arg eindeutig vor die Füße.
Spannend hingegen, wie die beiden Männer ihre eigenen Taten sehen und wie sie letztendlich nach außen wirken - da wird dann ein zu Beginn als ehrfürchtiger, mutiger Kriegsheld gezeichneter Matt Damon später zum absolut egomanischen Volldeppen herumgezeichnet, was dem unbedarften Zuschauer selbstbewusst vor Augen führt, dass eben nicht alles wahr ist, was man uns einfach so präsentiert. Scott zwingt uns, das Gesehene immer wieder zu hinterfragen und aufgrund neuer Informationen neu einzuordnen. Das klingt nun komplexer, als es letztendlich ist (denn immerhin ist "The Last Duel" immer noch ein millionenschwerer Blockbuster), aber er mutet seinem Publikum schon deutlich mehr zu. Die herausragendste schauspielerische Leistung geht dabei an Jodie Comer, die nach "Free Guy" in diesem Jahr zum zweiten Mal in einem völlig anderen Genre glänzt. Mit ungemeinem Feingefühl geht sie in den verschiedenen Blickwinkeln zugange und fordert das Publikum somit noch mehr, während Matt Damon und "Marriage Story"-Star Adam Driver in soliden Leistungen eher eingesperrt in den schwächer gezeichneten Figuren bleiben. Ein kleines Highlight zudem auch der Auftritt von Ben Affleck als schmieriger, orgienfeiernder Adel - man mag hier nicht von einer glaubwürdigen Performance sprechen, aber Affleck zeigt deutlich, wie viel Freude es ihm machte, hier mal so richtig ekelhaft den notgeilen Unsympathen raushängen zu lassen.
Fazit: Mit seinem Historienepos "The Last Duel" schlägt Ridley Scott auf überraschende Art und Weise die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Das ist inszenatorisch nicht immer auf den Punkt, fasziniert aber mit erstaunlichen Details und mutet dem Publikum dabei auch einiges zu. Schauspielerisch glänzt ganz besonders die großartige Jodie Comer, die dem historischen "MeToo"-Werk ein Gesicht gibt.
Note: 3+
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